Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
auf.
Christoph. Das musste Christoph gewesen sein. Ihn schwindelte. Mit einem Mal wusste er, dass all seine Befürchtungen nun der Gewissheit gewichen waren. Sein Sohn hatte wieder Probleme. Und er war wohl auf einem neuen Trip. Einem zerstörerischen Trip und er war womöglich sein erstes Ziel. Der Kanister war eine Warnung. Er nahm den Kanister hoch. Er war leer. Wo war sein Sohn und was plante er noch? Hell nahm sofort das Telefon aus der Ladeschale und suchte die Nummer seiner Exfrau im Adressbuch. Sie hatten vereinbart in Notsituationen und vor allem, wenn es um Christoph ginge, zu telefonieren. Aber nur dann. Es klingelte lange, dann hörte er ihre Stimme. Sie klang gelangweilt. Er kam sofort zur Sache. Sei präzise, dachte er, als er seiner Exfrau schilderte, dass er einen Benzinkanister in seiner Küche gefunden habe. Der Kanister sei leer gewesen. Stell dir vor, er habe auch Geld verlangt in den letzten Tagen. Sieh hin, dachte er, während er mit ihr sprach. Hast du Anzeichen übersehen? Was konnte ihn so wütend gemacht haben, dass er diesen Kanister ins Haus seines Vaters getragen hatte? Sieh nicht das, was ist, sondern das, was sein könnte. Er überlegte und sprach gleichzeitig. Als seine Exfrau anfing ihm Vorwürfe zu machen, beendete er das Gespräch. Er hatte seine Schuldigkeit getan und sie informiert. Auf seine Bitte ihren Sohn anzurufen, hatte sie mit Ausflüchten reagiert. Hatte er wirklich geglaubt, Hilfe zu erhalten? Von seiner Exfrau? Nein. Realistisch gesehen war es eine blöde Idee gewesen, dort anzurufen. Die Ungewissheit machte ihn nervös. Er nahm sein Handy zur Hand und wählte die Kurzwahltaste mit dem ‚C‘. Es klingelte, nach drei Tönen kam die Mailbox. Wieso sollte sein Sohn auch jetzt ans Handy gehen? Was sollte er ihm sagen? So was wie: „Ach ja Papa, ich habe übrigens einen Benzinkanister bei dir deponiert. Den hole ich morgen wieder ab, mache dir keine Gedanken. Ich will dich nicht umbringen oder dein Haus anzünden.“
Alles schien sinnlos. Hier stand ein Benzinkanister ohne Benzin drin. Seine Exfrau hatte nicht wirklich Lust sich dem Problem zu stellen. So hatte sie auch vor Jahren das Haus verlassen. Sie wollte sich nie den Problemen stellen. Sinnlosigkeit. Die Ehe hatte bereits zahlreiche Sprünge gehabt und war schließlich mit einem lauten Knall gescheitert. Wie man sich nach Hause sehnt, wenn man nach einem heftigen Fall Ruhe nötig gehabt hätte. Diese Ruhe kannte Hell schon seit Jahren nicht mehr. Ich habe genug davon, dass mir das immer passiert. Lieber Gott, mache, dass ich mich irre.
*
Daniel Hesse nahm die Tageszeitung aus der Halterung und vergewisserte sich, dass der silberne Golf wieder in der Straße parkte. Auch diesmal würde er den Mann wieder an der Nase herumführen. So wie er das letzte Mal durch den Garten bis zur Bushaltestelle gelangt war. Von dort aus war er ungesehen bis zu Flottmanns Wohnung gefahren. Jetzt öffnete er die Garagentüre, holte den Schlauch und die Waschutensilien hervor und begann seinen BMW zu waschen. Er ließ sich dabei reichlich Zeit. Es war jetzt neun Uhr morgens. Bis um elf Uhr hatte er Zeit, dann würde er zur Beerdigung von Robert Lohse fahren. Wieder mit dem Bus. Wieder in Schwarz. Den Friedhof hatte er bereits ausgekundschaftet. Der Rucksack stand schon gepackt im Hausflur. Die Armbrust lag darin und ebenfalls die Pfeile. Er hatte zuvor sorgsam den Zustand der Waffe kontrolliert. Diesmal würde er nicht in der Nahdistanz schießen. Diesmal würde sich zeigen, ob er ausreichend trainiert hatte. Er würde nur einen Schuss haben. Der musste im Ziel landen. Am besten direkt im Herzen. Blattschuss.
Kapitel 6
Die Totengräber hatten das Loch mit einem kleinen Bagger ausgehoben. Eigentlich waren es keine Totengräber mehr. Es waren Bedienstete der Stadt, die für das Friedhofsamt arbeiteten. Es war jetzt halb zwölf und in einer halben Stunde war die Beerdigung. Die Polizei hatte sich bereits eingefunden. Hell und Wendt saßen noch im Dienstwagen, während Klauk sich bereits auf dem Friedhof befand. Es konnte sein, dass Zylau auftauchen würde. Es durfte nicht wieder eine Panne geben bei seiner Festnahme. Daher sollten sich auch einige Zivilbeamte unter die Trauergäste mischen. Nicht weniger als zehn Beamte waren auf dem Friedhof postiert. Zwei Beamte waren als Sargträger eingeteilt. Es sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Gauernack hatte speziell ein SEK-Team angefordert. Jeder der eingesetzt war,
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