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Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Titel: Oliver Hell - Das zweite Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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nicht verfehlt hatte? Was, wenn er es nicht sehen konnte, weil es dunkel war? Die Kollegen hatten erwähnt, dass es stockdunkel in dem Raum gewesen war. Sollten die anderen Gefangenen zusehen, wie Olbrichs getötet wurde? Hatte er das Licht angemacht? Tat er es nicht, begab er sich in Gefahr. Es sei denn...
    Der Entführer trug ein Nachtsichtgerät!
    Der Gedanke schoss ihr ins Gehirn.
    Davon stammten vielleicht die kreisrunden Male an den Händen. Eine Möglichkeit. Sie würde die Fotos zur KTU mailen. Sollten die sich darum kümmern.
    Ja. Aber so konnte es tatsächlich sein. Er hielt sie im Dunkeln gefangen. Und verschaffte sich mit dem Nachtsichtgerät einen Vorteil.
    Sie ließ die Lupe sinken. Dieses Monster. Spielte er mit den Entführten, bevor er sie tötete?
    Ich werde dich kriegen, dachte sie. Die Adern an ihrem Hals traten hervor. Olbrichs war ein kräftiger Mann. Obwohl er bereits die Sechzig überschritten hatte. Es gehört schon einige Kraft dazu, ihm das Genick zu brechen.
    Sie wand sich dem Gesicht des Mannes zu. Blutleer. Die Augen bereits glasig. Er hatte Verletzungen an nahezu allen Stellen des Gesichts. Aufgequollen. Aufgeplatzt. Zerschunden.
    Der Entführer schien ebenfalls große Kraft zu besitzen. Einem Mann wie Olbrichs solche Schläge beizubringen, erforderte Kraft. Selbst wenn man den unfairen Vorteil des Nachtsichtgerätes hinzurechnete.
    Ihre Lupe wanderte über bleiche Haut. Furchen, durch Prügel aufgeworfen. Zerfasert.
    Die Lupe wanderte weiter. Ins Unendliche vergrößerte Wut. Sie musste schlucken. Es war nicht das erste Mal, dass sie solche Wunden sah. Nein, bei weitem nicht. Es waren die ganzen Umstände, die sie dazu brachte. Ein Blick in die Kühlfächer der Gerichtsmedizin offenbarte, dass die Welt immer brutaler, enthemmter war. Dort warteten neben Günther Adelberg noch drei weitere Tote auf sie. Extreme Gewalt war an der Tagesordnung. Dieser Entführungsfall hatte eine andere Qualität.
    Beinahe verlor sie sich in ihrem Mitleid. Mitleid machte unaufmerksam. Die Lupe tastete sich weiter. Um ein Haar hätte sie beinahe etwas übersehen. Die Lupe zuckte wenige Millimeter zurück.
    Da!
    In der Wunde über dem linken Auge befand sich etwas. Etwas, was dort nicht hingehörte. Ein Fremdkörper. Sie nahm die Pinzette und zog es aus der Wunde hervor. Betrachtete es eingehend.
    War das ein Hautfragment? Sie war sich nicht sicher. Das Etwas wanderte in ein kleines Röhrchen. Hatte der so vorsichtige Entführer etwas übersehen? Sie betete dafür. Ein wenig Gerechtigkeit täte ihr gut in diesem Fall. Stephanie Beisiegel betete sonst nicht. Nie. In ihrem Beruf konnte man nicht mehr an einen barmherzigen Gott glauben.
    *
     

    Der Verkehr in der Bonner Innenstadt war für einen Samstagabend human. Es dauerte nicht mehr lange, dann war er beim Bonner Zentrum für Luft – und Raumfahrt angekommen. Dort errechnete das GPS die letzte Koordinate. Er bog von der Godesberger Allee rechts ab auf die Hochkreuzallee. Es lohnte sich nicht, Gas zu geben, weil er nach ungefähr zweihundert Metern schon links abbiegen musste. Dort lag eine der drei Adressen, die das DLR in Bonn hatte. Schon bog er scharf in die Südstraße ein. Er stellte den Golf auf der rechten Straßenseite ab.
    Er stieg aus und beschleunigte sofort seinen Schritt. Wohin führte ihn das GPS?
    Kurz bevor er losgefahren war, kam Wendt im Präsidium an. Er hatte den Nachmittag im Beerdigungsinstitut verbracht und dort die Mitarbeiter der KTU so gut es ging unterstützt.
    „ Ich kann keine Asservatenbeutel mehr sehen“, sagte er und ließ sich erschöpft auf seinen Stuhl plumpsen.
    „ Brauchst Du auch nicht“, sagte Klauk, „Du kannst sofort losdüsen und die nächste Koordinate anfahren. Natürlich nur, wenn Du dich dazu in der Lage fühlst.“
    Er zog seine Augenbrauen so hoch, dass sie hinter dem oberen Rand seiner Brille untertauchten. Wendt schüttelte vehement den Kopf und wedelte ablehnend mit beiden Händen vor seinem Körper.
    „ Den Job überlasse ich dir gerne, Kollege Sebi.“
    Mitten in die gelöste Stimmung platzte ein Anruf. Klauk nahm den Hörer ab. Er hörte zu. Nickte. Legte auf.
    „ Das war Dr. Beisiegel. Sie hat in einer Wunde von Karsten Olbrichs ein Hautfragment gefunden. Die KTU hat es untersucht und dabei eine Übereinstimmung mit denen der Mumie entnommenen Zellen festgestellt. Vierzehn von fünfzehn getesteten Markern stimmen überein. Der Entführer ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein

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