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Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Titel: Oliver Hell - Das zweite Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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entschieden. Sehr zum Missfallen ihres Vaters, der ihre Begabungen in einem Umfeld als Ärztin besser eingesetzt fand. Doch weigerte sie sich strikt dagegen. Dieser Disput führte unter anderem dazu, dass er nun allen Druck auf Sven-Ferdinand legte. Doch hatte der bereits mit seinem Studium begonnen. Auch sein Sohn sah seine Zukunft nicht als Arzt vor sich.
    Manch bitterer Kommentar fiel seitdem auf den jeweiligen Familientreffen.
    Irgendwann hatte sich auch Walters Senior an diesen Zustand der Machtlosigkeit bei der Berufswahl seiner Kinder gewöhnt und er dachte sich nur noch seinen Teil.
    Die Aussage seiner Schwester an diesem Abend hatte jetzt wieder eine besondere Qualität.
    „ Sie entbehrt keiner Grundlage. Das weiß ich jetzt besser“, hatte sie mit erstickter Stimme geantwortet.
    „ Du phantasierst mal wieder, Emilie.“
    Ihre Antwort darauf verblüffte ihn. „Würdest Du wissen, was ich weiß, dann gingst Du auch nicht mehr in das Haus unseres Vaters.“
    „ Dann weih mich doch ein in dein Geheimnis“, hatte er sie gebeten.
    „ Es reicht, wenn sich einer von uns damit herumquälen muss. Nein, ich werde es dir nicht sagen.“
    Das Telefonat war mit diesem Satz auch beendet. Emilie legte auf.
    Er wählte erneut ihre Nummer. Dutzende Male an diesem Abend. Auch an den darauffolgenden Tagen. Ohne Erfolg. Auch auf der Arbeitsstelle ließ sie sich verleugnen. Bis zu dem Tag, wo er von einem Arbeitskollegen Emilies erfuhr, dass sie sich in ärztlicher Behandlung befände. Sie hatte auf der Arbeit einen Nervenzusammenbruch erlitten. Seitdem lag sie nun bereits im Krankenhaus. Jeder Versuch seinerseits, ihre Mauer des Schweigens zu durchbrechen, blockte sie ab.
    Heute wollte er einen erneuten Versuch starten. Ihre Familie befand sich in Auflösung. Der Vater wurde entführt, die Mutter war an einem Herzinfarkt verstorben. Irgendetwas hatte Emilie erfahren. Etwas aus der Vergangenheit des Vaters womöglich, was sie zu der Aussage, ihr Vater sei ein Mörder, gebracht hatte.
     

    „ Herr Doktor, was halten Sie von dem Gedanken, dass sich meine Schwester in diesem Zustand befindet, weil sie ein Geheimnis mit sich herumträgt, was sie psychisch so belastet, dass sie sich von der Welt abschottet?“
     

    Der Psychologe schaute ihn lange an. Dann nahm er seine Brille ab.
    „ Es gibt viele Auslöser für einen Realitätsverlust. Auslöser können traumatisierende Erlebnisse, Schock, Drogenmissbrauch, aber auch der Beginn schwerer psychischer Erkrankungen wie Schizophrenie sein.“
     

    „ Emilie ist nicht schizophren,“ protestierte Walters.
     

    „ Noch nicht“, sagte der Psychologe, „Realitätsverlust geht mit der "Erkenntnis" daher, dass sich alles um einen irgendwie verändert, anders ist, aber jeder einem sagt, dass dies nicht so ist.“
    Sven-Ferdinand Walters war jetzt an einem Punkt angekommen, wo er Butter bei die Fische tun musste.
    „ Ich habe erfahren, dass mein Vater entführt worden ist. Meine Mutter hat daraufhin einen Herzinfarkt erlitten und ist verstorben …“ Er hielt inne.
    „ Mein Beileid zu ihrem Verlust“, sagte der Psychologe.
    „ Danke. Das ist sehr schlimm alles. Daher möchte ich nicht auch noch meine Schwester verlieren. Ich möchte Ihnen unter dem Mantel der Verschwiegenheit etwas sagen. Kann ich auf ihre ärztliche Diskretion hoffen?“
    „ Aber selbstredend.“
    „ In meinem letzten Gespräch mit meiner Schwester ließ sie verlauten, unser Vater sei ein Mörder. Sie beharrte darauf und sagte, wenn ich wüsste, was sie weiß, würde ich das Haus unserer Eltern auch nicht mehr betreten. Ich hielt es für einen der üblichen Scherze, die sich meine Schwester leistete. Doch das war das letzte Mal, dass wir vor ihrer Einlieferung in die Klinik miteinander gesprochen haben.“
    Der Psychologe hatte ihm mit aufmerksamem Blick zugehört. „Warum sagen Sie mir das erst jetzt?“
    „ Ich weiß es nicht. Weil ich dachte, meine Schwester phantasiert. Mein Vater ein Mörder? Das war mir zu abstrus. Doch jetzt, wo er entführt wurde? Vielleicht passt das ins Bild. Ich weiß es ja auch nicht.“ Er wandte sich ab und raufte sich die Haare. „Ich will nur meine Schwester nicht auch noch verlieren.“
    „ Hat sich ihre Schwester auch nicht mit einer Andeutung geäußert, woher sie ihr Wissen bezogen hat? Sie haben auch selber keine Ahnung? Hatte ihre Schwester in der Vergangenheit ähnliche Probleme? Ich meine, hatte sie Phantasien?“, fragte der Psychologe.
    Walters zögerte

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