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Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Titel: Oliver Hell - Das zweite Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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paar Sekunden, bis er antwortete.
    „ Befreundet? Waren wir befreundet? Unter Archäologen gibt es selten Freundschaften. Ich mochte ihn sehr gerne. Wir haben verschiedene Grabungen zusammen erlebt. Er war ein lebensfroher Mensch“, sagte Livré und schaute aus dem Fenster.
    „ Adelberg war kurz zuvor auch in Peru gewesen oder?“
    Der Archäologe seufzte.
    „ Ja, das war er. Sein Sohn hatte einen Unfall. Daher flog er heim. Ich sah ihn damals das letzte Mal“, sagte er und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er legte die Arme auf die Lehnen, seine Zeigefinger berührten sich.
     

    Hell fand den Stuhl eigentlich zu groß für die schmächtige Person.
     

    „ Gut, dass sie seinen Sohn erwähnen, Ingo Adelberg. Wir haben versucht, ihn zu erreichen. Kennen Sie ihn?“, fragte Rosin.
    Livré tippte seine Zeigefinger zusammen.
    „ Ja, ich kenne Ingo Adelberg. Er ist ebenfalls Archäologe. Aber wenn sie es nicht weitersagen, er kann seinem Vater nicht das Wasser reichen. Nein, das kann er nicht. Er hat nicht das Format eines Günther Adelberg.“ Er schüttelte bekräftigend seinen Kopf.
    „ Aha“, sagte Hell, „Wissen Sie vielleicht auch, wo wir ihn erreichen können?“
    „ Nein, das tut mir leid. Er ist kein Mitglied der Hochschule mehr.“
    „ War er das?“
    „ Ja, er war als Dozent für Mittel – und Südamerikanische Archäologie angestellt. Kündigte dann aber von heute auf morgen. Wir hatten mitten im Semester noch große Probleme, einen geeigneten Ersatz zu finden. Daher ist sein Name hier nicht mehr so gerne gehört.“
    „ Geht das so einfach?“, fragte Rosin, „Ich meine, es gibt doch Verträge mit den Dozenten oder?“
    „ Natürlich geht es nicht, eigentlich. Er hat uns dann ein Attest vorgelegt, was ihm eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.“
    „ Was stand in dem Attest?“
    „ Tut mir leid, das darf ich Ihnen nicht sagen. Ich kann mich nur insoweit auslassen, dass es ihm keiner geglaubt hat, dass er plötzlich so krank sein sollte.“
    „ In Ordnung“, sagte Hell, „Aber sie dürfen uns sicher sagen, wer der Arzt war, der das Attest ausstellte?“
    Wie vom Blitz getroffen schoss Livré aus seinem Stuhl nach vorne. Mit Wucht legte er seine Hände auf den Tisch. Seine Augenbrauen tauchten beinahe unter seinen Haarschopf.
    „ Verstehe. Wenn ich Ihnen den Namen nicht sage, kommen Sie mit einem Durchsuchungsbeschluss. Also kann ich Ihnen auch gleich die frohe Botschaft nennen. Der Arzt, der das Attest ausstellte, war kein Geringerer als Doktor Heinz-Theo Walters!“
    „ Walters?“, fragte Hell überrascht. Erstens von dem Gefühlsausbruch des Professors und zweitens von der Nachricht selber.
    Livré nickte bestätigend. Er schien sich aber sofort wieder in der Gewalt zu haben.
    „ Eine Frage brennt mir noch auf dem Herzen, Herr Professor, dann sind Sie uns auch schon los.“ Sie setzte ihr freundlichstes Gesicht auf. „Kennen Sie jemanden, der sich mit Einbalsamierungen auskennt? Ich meine, jemand, der dort praktische Erfahrungen hat?“
    Livré schien zu überlegen. „Praktische Erfahrungen? Jetzt warten Sie mal, da gibt es jemanden, der so etwas schon mal auf Partys angeboten hat. Wissen Sie, Archäologen haben zuweilen einen etwas schrägen Humor. Sein Name ist … er fällt mir jetzt nicht ein. Haben Sie eine Karte für mich? Dann melde ich mich, sobald er mir eingefallen ist. Wollen wir das so machen?“
    Beide nickten unisono.
    Hell fischte eine Visitenkarte aus der Jacketttasche und stand auf. „Vielen Dank, Herr Professor, dass Sie uns ihre kostbare Zeit geopfert haben.“
    Er reichte ihm die Karte über den Tisch.
    „ Aber nicht dafür. Ich war Ihnen doch gerne behilflich. Wenn es um meinen lieben, verstorbenen Kollegen Adelberg geht, immer wieder gerne.“ Er stand auf und war wieder ganz der höfliche Pfälzer wie zuvor.
    Rosin verabschiedete sich ebenfalls, und als die beiden vor der Türe des Vorzimmers anhielten, sagte sie: „Den möchte ich auch nicht zum Feind haben. Der kann glaube ich, eiskalt sein.“
    Hell stimmte ihr zu. Er blickte auf die Armbanduhr. Es war bereits halb zwei.
    „ Mist! Jetzt erwischen wir in der Praxis von Doktor Walters niemanden mehr. Also können wir erst nächste Woche dort nachfragen. Den Beschluss hole ich mir aber heute noch bei Gauernack.“
    Der Verkehr war dicht, wie immer freitags. Hell bereute es, nicht zu Fuß die paar Meter vom Präsidium bis in die Innenstadt gelaufen zu sein. Mit dem Auto dauerte die Rückfahrt ewig.

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