Oliver Hell - Das zweite Kreuz
ihr euch aber nehmen. Sonst ist der Druck im Topf irgendwann zu groß.“
Hell suchte hektisch nach einer Telefonnummer, die er sonst immer in seiner Schublade aufbewahrt hatte. Eine Notiz auf einem Post It.
Er antwortete nicht auf Franziskas Kritik. Trotzdem er wusste, sie hatte mehr als Recht. Franziska war versucht aufzustehen und ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Doch sie tat es nicht. Hell war alt genug, um zu wissen, was er tun sollte. Außerdem hatte sie ihn ja nun einigermaßen unter Kontrolle. Sobald sie Anzeichen für ein seelisches Ungleichgewicht finden würde, zöge sie die Reißleine.
Hell fand schließlich seine Notiz. Er nahm das Telefon in die Hand, lächelte ihr zu und wählte die Nummer von Radio Bonn. Dort landete er direkt beim zuständigen Nachrichtenredakteur.
Ihm erzählte er die gleiche Story, die er auch bereits Maier übermittelt hatte.
Nach dem Telefonat wandte er sich Franziska zu.
„ Ich habe doch jetzt dich. Was brauche ich da noch einen Polizeipsychologen.“
Franziska nickte im Wissen um seine Ehrlichkeit.
„ Warum macht er das? Warum kreuzigt jemand einen Toten?“, fragte Hell, nachdem sich ihre Blicke eine Weile trafen.
„ Der Tote wird zur Schau gestellt. Er will uns auf etwas hinweisen. So wie. Seht mal, ich weiß etwas, was ihr nicht wisst. Er hat etwas verbrochen und ich habe ihn erwischt!“
„ Ja, das würde deine Theorie stützen. Aber was ist, wenn er bloß ein Psychopath ist? Wenn er sich nur diese Dinge aus den Fingern saugt? Wenn er nur Aufmerksamkeit erheischen will?“ Er stand ruckartig auf und wanderte im Büro umher.
Franziska Leck strich sich die Haare aus der Stirn.
„ Nein“, sagte sie kurz, „Alles spricht dagegen. Warten wir doch auf die Ergebnisse der Untersuchungen. Vielleicht wissen wir dann schon mehr.“
„ Warten? Alles, was wir im Moment nicht tun können, ist abwarten“, sagte Hell mit einem Blinzeln. Er vermied es, Franziska direkt anzuschauen. Sie blickte schon wieder viel zu tief in seine vernarbte Seele hinunter.
*
Mit schweren Lidern hing sein Blick auf dem Bett seiner Schwester. Sie schlief. Er hatte seit den letzten sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen. Eine nette Schwester hatte ihn die Nacht über mit Kaffee versorgt. Seit ein paar Stunden hatte er Gesellschaft von einer SEK-Beamtin. Eine weitere Beamtin hielt sich im Schwesternzimmer auf. Beide hatten Funkkontakt.
Emilie Walters war über den Berg. Das hatte ihm der Arzt noch in der Nacht versichert. Trotzdem schien sich ihr Körper von dem Gift erholen zu müssen. Sie wachte nicht auf. Der Arzt teilte nicht seine Besorgnis darüber. Im Gegenteil. Er war sicher, je länger sie schlief, desto besser wäre es. Ohne die Skepsis zu verlieren, wartete er geduldig auf eine Veränderung. Doch Emilie schlief weiter.
Die SEK-Beamtin hielt sich mit einer vollen Dröhnung Energy-Drinks aufrecht. Sie schwiegen. Sven-Ferdinand Walters dachte an die Ausreden der Krankenschwester, die von den Polizisten befragt worden war. Sie sei sicher, dass niemand die Pillen vertauscht haben könne. Schließlich sei sie die ganze Zeit in der Nähe gewesen.
Der junge Polizist stellte ihr immer wieder die eine Frage. Wie sind dann die Herzpillen in die Schale für Emilie Walters geraten?
Sie blieb bei ihrer Aussage. Niemand konnte sie vertauscht haben. Niemand sei in der Nähe gewesen, der dort nicht hingehörte. Sie habe keinen Fehler begangen. Alles wäre wie in jeder Runde gewesen. Es hätte keine Auffälligkeiten gegeben.
Nach einer Stunde hatten die Beamten die sinnlose Prozedur abgebrochen. Aus der Frau war keine vernünftige Aussage herauszuholen. Sie verabschiedeten sich von Walters mit der Bitte, er solle auch nachhause fahren und sich ausruhen. Er versprach es. Wobei er schon wusste, dass er das Versprechen brechen würde.
Emilie bewegte sich auf ihrem Krankenbett. Walters sprang auf. Die Polizistin hob nur kurz den Kopf. Wie erwartet, hatte die Patientin nur kurz den Kopf gedreht. Kein Grund zur Aufregung.
Sie sprach leise in ihr Funkgerät: „Alles ok bei dir?“
Ein Knarzen begleitete die Antwort, „Alles easy hier. Schlaf weiter.“ Die Polizistin lächelte und stellte ihr Funkgerät wieder neben sich auf den Rollwagen.
Ein paar Sekunden später klopfte es an der Türe. Die Hand der SEK-Beamtin fuhr in die Nähe ihrer Waffe.
„ Herein!“, sagte sie mit einem säuselnden Tonfall. Die Türe öffnete sich und Klauk steckte seinen Kopf durch die
Weitere Kostenlose Bücher