Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Gelassenheit fallen gelassen hatte. Das passierte ihm sehr selten. Es wurde ihm immer klarer. Nach diesem Auftrag würde er sich zurückziehen. Keine Aufträge mehr. Keine Morde mehr. Keine Toten mehr. Konnte ein Mann wie er in Rente gehen? Er würde es jedenfalls versuchen.
Als es an der Zimmertü re klopfte, zog er mit einem Schwung die Bettdecke über die Waffen, und ging zur Türe.
*
Es gab wieder Bücher in ihrem Leben. Es gab wieder Skripte in ihrem Leben. Sie machte wieder Aufzeichnungen, die sie abends nicht mehr entziffern konnte. Alles erinnerte sie wieder an die Polizeischule, oder auch an die Abiturzeit. Nur die Kollegen waren weniger gut drauf. Alles war sehr steif. Keine dummen Sprüche, keine Verabredungen. Man konnte noch nichts Definitives sagen. Vielleicht würde es sich noch ändern. Du bist auch nicht zum Spaßhaben hier, Du willst Profiler werden. Was hast Du erwartet? Einen Haufen von Chaoten, so wie die Figur der Abby Sciuto aus der amerikanischen Serie „ Navy CIS “, die in einem Sarg schlief?
Profiler waren eher wie die Helden aus „ Criminal Minds “. Jeder hochspezialisiert auf seinem Gebiet. Abgeklärt, trotz der vielen menschlichen Tragödien, immer weiter mit dem Fokus auf den nächsten Fall.
Doch alle diese Figuren waren Filmfiguren. Die einzige wirkliche Profilerin, die sie kannte, war Dr. Leck. Und mit der war sie bei der Ver folgung von Hesse aneinander gerasselt. Nicht wegen ihrer fachlichen Qualität, sondern weil sie über Sachverhalte sprach, von denen sie keine Ahnung hatte. Das war Meinhold auf den Nerv gegangen. Trotzdem war diese Frau die Initialzündung für ihren Entschluss gewesen.
Sie wollte es einfach besser machen. Besser als Dr. Leck. Das war ihr Ziel. Sie sah sich schon zusammen mit Rosin, Klauk und Wendt in Hells neuem Team. Dann konnte Lessenich mit seinen Leuten endgü ltig einpacken. Bis dahin musste sie diese Langeweile ertragen. Seis drum dachte sie. Dann ist es eben so.
Ihre Nase steckte in einem Skript ü ber geografisches Profiling. Wenn sie das richtig verstanden hatte, konnte man mit Hilfe der Mathematik einen wahrscheinlichen Aufenthaltsort eines Täters, oder Serienkillers bestimmen. Sie las weiter, dass es zwei Typen gab. „Plünderer“ und „Pendler“. Das geografische Profiling war am besten geeignet, einen „Plünderer“ zu erwischen. Dieser Typus war ortsgebunden.
Der „ Pendler“ hingegen ist nicht ortsgebunden, sondern legt zwischen seinen Taten oft weite Strecken zurück. So ist es oft auch nicht zu erkennen, dass es sich um ein und denselben Täter handelt. Der „Pendler“ ist sehr häufig intelligent, kann sich kulturell, wie auch intellektuell hervorragend seinen verschiedenen Opfern anpassen.
Meinhold ü berlegte. Auf Hesse hätte laut dieser Spezifizierung eher der „Plünderer“ gepasst, weil er räumlich begrenzt agierte, doch von der Intelligenz her, war er folglich der anderen Kategorie zugehörig. Wie man sieht, kann man alles allem zuordnen, muss es aber nicht, resümierte sie für sich. Das Thema interessierte sie. Doch brauchte sie erst eine Dusche und einen starken Kaffee. Auf dem Weg zum Badezimmer ließ sie ihre Kleidung dort fallen, wo sie ging.
*
Hell glättete gerade einen Zettel, den er aus seiner Jackentasche gezogen hatte. Dort stand eine kurze Notiz, die er am Abend zuvor noch auf einem Block in Christophs Zimmer in der Klinik verfasst hatte. Hätte er nicht gewusst, was er darauf in aller Eile notiert hatte, lesen hätte er es nicht mehr können. KTU und KH stand dort. Um Zeit zu sparen, hatte er sogar das H senkrecht unter das K gesetzt. Es sah ein wenig aus wie der Anfang eines imaginären Kreuzworträtsels. Was ihn daran erinnern sollte, Wrobel nach den neuesten Ergebnissen zu fragen, ebenso musste man sich erneut im Krankenhaus nach dem Befinden von Hasan Cetin erkundigen.
Im Radio hö rte er, dass die Untersuchungen am Bonner Bahnhof ins Stocken geraten waren. Ein Video mit einem Mann, der eine blaue Tasche trug, war auf der Homepage des Radiosenders zu sehen. Es gäbe weiterhin keine heißen Spuren. Außerdem war ein Kompetenzstreit zwischen der Bahn und der Bundespolizei entbrannt. Beide warfen sich Versäumnisse bei der Videoüberwachung des Bahnhofes vor. Er schüttelte den Kopf und drehte den Sender leiser.
Hell sah auf die Formulare, die er noch ausfü llen musste, und entschied sich, zuerst zu telefonieren. Mit dem Telefonhörer in der Hand legte er die Formulare nach rechts auf den
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