Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
hören? Gar nicht weit weg. Er schob die Türe von sich weg und setzte den ersten Fuß in den Flur.
*
Notaufnahme. Nachts um vier Uhr. Zwischen all den Bierleichen der letzten Nacht kam sich Jan-Philipp Wendt auf eine seltsame Art nüchtern und normal vor. Obwohl ihn von denen, die dort saßen, weil sie sich im Suff irgendwelche Blessuren zugezogen hatten, rein äußerlich nicht viel unterschied. Wendt war bleich, hatte einen trockenen Mund und fühlte sich hundeelend.
Als er endlich an die Reihe kam, bat er als erstes die Krankenschwester um ein Glas Wasser.
„ Vielen Dank, sehr nett von Ihnen. Ich bin Kriminalbeamter und benötige einen Test auf alle möglichen Stoffe, die man als K.O.-Tropfen einsetzen kann“, sagte er zu der erstaunt dreinblickenden Frau. Sie brauchte einen Moment, bis sie kontern konnte. „Und ich bin mir sicher, dass das die beste Ausrede ist, die ich heute Nacht gehört habe.“
Wendt setzte sein Verführerlächeln auf. „Ich kann Sie gut verstehen. Aber ich meine es ernst. Mir wurden K.O.-Tropfen verabreicht. Jetzt rennt jemand mit meinem Dienstausweis durch Bonn und Sie halten die Chance in der Hand, dass ich meinen Job behalte.“
Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis sie den Entschluss gefasst hatte, ihm zu glauben. „Wann hat man Ihnen die Tropfen verabreicht? Einige davon sind bloß ein paar Stunden im Körper nachweisbar.“
„ Wie spät ist es jetzt?“, fragte Wendt.
„ Vier Uhr 10“, antwortete die Schwester.
„ Vor dreieinhalb Stunden, schätzungsweise.“
„ Dann zählt jede Minute. Krempeln sie ihren Ärmel noch etwas hoch, ich muss Ihnen Blut abnehmen“, sagte die Frau und fing an, mit schnellen, geübten Handgriffen die Kanüle vorzubereiten.
„ Auch das noch. Wo ich doch kein Blut sehen kann“, scherzte Wendt und schob sein Hemd nach oben, „Welche Seite von mir würden Sie denn bevorzugen?“, fragte er.
Sie legte ihren Kopf neckisch schief und sagte, „Die, wo ich möglichst schnell möglichst viel aus Ihnen abzapfen kann.“
Wendt grinste und hielt ihr seinen rechten Arm hin.
*
Jochheim spürte, wie seine Selbstsicherheit zurückkehrte. Im Dunkeln fühlte er sich unwohl. Nachdem sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, lauschte er, woher die Stimmen kamen. Der Flur öffnete sich nach links und rechts. Die Stimmen kamen von rechts, also schlug er diese Richtung ein. langsam ging er weiter. Da hörte er hinter sich ein Knacken. Er fuhr herum und schaute den Flur entlang.
Sprungbereit.
Nichts.
Er drehte sich wieder nach vorne. Die Stimmen waren verstummt. Befanden sich die beiden nicht mehr in dem Zimmer? Wo waren sie dann? Vor ihm warf die Lampe einen harten Schein auf den Flur. Bis an die Türöffnung glitt er voran. Lauschte. Jetzt fingen die beiden wieder an, zu sprechen. Leise. Er konnte nicht verstehen, was gesagt wurde.
Er fühlte sein Herz in der Brust wummern. Hörten sie es vielleicht auch? Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr. Er hörte, wie sein Name fiel.
Stichwort.
„ Na, wenn ihr schon über mich sprecht, dann könnt ihr auch mit mir sprechen“, sagte er laut und trat in die Türe.
Stephan Gericke fuhr zusammen und sprang auf. So heftig, dass der alte Küchenstuhl, auf dem er saß, umfiel.
„ Sie?“, stotterte er, „Wo kommen Sie her?“
Christina Gerickes Augen waren schreckgeweitet. Sie sagte nichts, beobachtete nur, wie er zwei Schritte näher an den Tisch herankam. Jochheim hatte blitzschnell die Lage überblickt. Der einzige Weg aus der Küche heraus, war durch diese Türe. Das Fenster war von draußen mit Brettern vernagelt. Sicher war hier eingebrochen worden, denn eine der Fensterscheiben war zerbrochen.
Sie saßen in der Falle.
„ Bei Ihnen war eben die Polizei“, sagte er zu ihr hinüber. Noch trennten sie geschätzte zwei Meter.
„ Was? Woher wissen Sie das?“, fragte Christina Gericke.
„ Schätzchen, was denkst Du, woher ich euer kleines, lauschiges Versteck kenne?“
Den Geschwistern wurde bewusst, dass sie Jochheim direkt hierher geführt hatten.
„ Was wollen Sie von uns? Können Sie uns nicht endlich in Frieden lassen?“, fragte Stephan Gericke und hob den Küchenstuhl wieder auf. Jochheim musterte jede seiner Bewegungen, dazu bereit, einen Angriff abzuwehren.
„ Oh, der Kleine wird mutig. Ich soll euch in Frieden lassen? Was bekomme ich denn von dir, wenn ich euch in Frieden lasse? Du weißt, ich bin da sehr wählerisch.“
„ Wir haben doch wirklich alles
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