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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Redeweise. »Bloß, um zu haben des Vergnigen, sie kennenzulernen, ob es auch sind anständige Leinte. Ja, ich bin Ihr Mann.«
    »Hab’ ich doch gewußt, daß Sie das sind«, rief Fagin erfreut.
    »Ja, ja, schon gut«, knurrte Noah. »Wo ist sie? Wer ist sie? Wo soll ich auf sie warten, und wohin soll ich gehen?«
    »Alles, mei Freind, werden Sie zur rechten Zeit von mir hören. Halten Sie sich bereit«, sagte Fagin, »und überlassen Sie mir alles Weitere.«
    Am selben und am nächsten Abend und abends darauf saß der Spion in seinem Fuhrmannskittel zu Hause und wartete auf Fagin. Nacht um Nacht verstrichen, fast eine Woche, und jedesmal kam Fagin mit enttäuschtem Gesicht nach Hause und sagte, die Zeit sei immer noch nicht da. Endlich, eines Sonntags, kam er früher nach Hause als sonst und mit einem Frohlocken, das er kaum verbergen konnte.
    »Sie geht heinte abend aus«, jubelte er, »denn der Mann, vor dem sie sich fürchtet, wird nicht vor morgen frih zu Hause sein. Kommen Se jetzt schnell mit.«
    Ohne ein Wort zu sprechen, sprang Noah auf, und sie verließen verstohlen das Haus, um endlich vor einer Schenke zu landen, die Noah als »Die drei Krüppel« erkannte. Es war elf Uhr vorüber und die Türe verschlossen. Geräuschlos öffnete sie sich, als Fagin einen leisen Pfiff ausstieß. Sie traten lautlos ein, und ebenso schloß sich die Türe wieder hinter ihnen. In stummer Gebärdensprache, um keinen Lärm zu machen, zeigten Fagin und der junge Jude, der sie hereingelassen, Noah eine Fensterscheibe und bedeuteten ihm hinaufzuklettern und sich die Person in dem dahinterliegenden Wohnraum anzusehen.
    »Ist sie das?« fragte Noah kaum hörbar.
    Fagin nickte.
    »Ich kann ihr Gesicht nicht recht sehen, das Licht steht hinter ihr.«
    »Bleiben Sie oben«, flüsterte Fagin und gab Barney einenWink. Im nächsten Augenblick trat dieser in das Zimmer und rückte unter dem Vorwand, die Kerze zu schneuzen, das Licht zurecht und fing sodann mit dem Mädchen zu sprechen an, um sie zu veranlassen, ihr Gesicht zu zeigen.
    »Jetzt seh ich sie«, sagte Noah.
    »Deintlich?«
    »Unter Tausenden würd’ ich sie wiedererkennen.«
    Er stieg eilends wieder herunter, und gleich darauf öffnete sich die Türe, und das Mädchen trat ein.
    Fagin zog Noah rasch hinter einen Vorhang und hielt ihn dort zurück, bis sie verschwunden war.
    Dann wechselte Noah einen Blick mit Fagin und schoß hinaus.
    »Auf der andren Seinte der Stroßen gehen«, flüsterte ihm der Jude zu.
    Noah gehorchte. Beim Schein der Laterne erblickte er die vorauseilende Gestalt Nancys vor sich. Er hielt sich in möglichster Nähe und blieb auf der andern Seite der Straße, um sie besser im Auge zu behalten. Nervös blickte sie sich ein paarmal um und blieb auch zuweilen stehn, um Leute vorüberzulassen, die ihr folgten. Allmählich schien sie Mut zu bekommen und schritt fest und sicher dahin. Noah folgte ihr, ohne sie auch nur eine Sekunde aus dem Auge zu verlieren.

SECHSUNDVIERZIGSTES KAPITEL
    Nancy erfüllt ihr Versprechen
     
    In hallenden Schlägen schlug es dreiviertel auf elf von den Kirchtürmen, da betraten zwei Gestalten die Londoner Brücke. Die eine von ihnen, rasch vorwärts eilend, war eine Frau, die sich beständig ängstlich und eifrig umsah, die andre gehörte einem Mann, der in dem tiefsten Schatten,den er nur finden konnte, gleichen Schritt mit ihr in einigem Abstande hielt. Es war finstere Nacht. Wer unterwegs war, eilte schnell vorbei, und niemand schien weder die Frau noch den Mann zu sehen, wenigstens nahm niemand Notiz von ihnen. Ihr Aussehen war auch nicht danach, irgend jemandes Blick auf sich zu lenken, denn, wer in dieser Nacht über die Londoner Brücke kam, war gewiß nicht neugierig. Ein dicker Nebel hing über dem Fluß und verdunkelte den Schein der Feuer, die an den verschiedenen Werftplätzen das Ufer entlang brannten. Hüben und drüben stiegen massige, alte, rauchgeschwärzte Speicher aus dem Gewirr der Dächer und Giebel und blickten mürrisch hinab auf die Wasserfläche, die in ihrer Schwärze die grotesken Formen und Umrisse der Umgebung widerspiegelte. Der Turm der alten Erlöserkirche und der des heiligen Magnus, seit unvordenklichen Zeiten das Riesenwächterpaar der altertümlichen Brücke, leuchteten matt aus dem Dunkel.
    Die Frau war ein paarmal ruhelos hin und her gegangen, auf Schritt und Tritt scharf beobachtet von ihrem versteckten Begleiter, als die Glocken der Sankt Paulskirche wieder einen Tag zu Grabe trugen.

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