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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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vorgebeugt, als ich hingeschaut habe, und ist verschwunden, gerade wie ich angefangen habe zu sprechen.«
    Der Jude warf ihm einen verächtlichen Blick zu, bedeutete ihm, ihm zu folgen, und ging voran die Treppe hinunter. Sie durchsuchten jeden Winkel. Alles vergebens. Das ganze Haus war öd und still wie ein Grab.
    »Nu, was sagste jetzt?« maulte der Jude, als sie wieder in dem Hausflur standen. »Nicht e lebende Seele ist da außer uns, Toby Crackit und die beiden Jungen, und die sind gut eingesperrt. Da schau selber.«
    Damit nahm er zwei Schlüssel aus der Tasche und erklärte seinem Gast, er habe gleich, als sie eingetreten seien,Toby, Dawkins und Charley eingeschlossen, um ungestört bleiben zu können. Monks wurde unsicher und gab endlich zu, seine erhitzte Phantasie müsse ihm offenbar einen Streich gespielt haben. Dann trennte sich das Freundespaar.

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Eine frühere Unhöflichkeit, mit der wir eine Dame im Stiche gelassen, wird wiedergutgemacht
     
    Mr. Bumble hatte bereits ein zweites Mal die Teelöffel gezählt, die Zuckerzange in der Hand gewogen, den Milchtopf einer genauen Inspektion unterzogen und sich hinsichtlich des ganzen Mobiliars jede nur wünschenswerte Gewißheit verschafft, ehe er zum Bewußtsein kam, daß Mrs. Cornay eigentlich ziemlich lange ausblieb. Da sich im Hause nichts hören ließ, schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, er könne sich am besten wohl die Zeit damit vertreiben, daß er auch das Innere von Mrs. Cornays Kommodenkästen einer genauen Durchforschung unterzöge.
    Nachdem er zuvor am Schlüsselloch gehorcht, um sicher zu sein, nicht überrascht zu werden, machte er sich über die drei ersten Schubladen her. Sie waren sämtlich mit Kleidungsstücken von verschiedenem Stoff und neustem Schnitt angefüllt, und zwischen jedem Kleid war fürsorglich ein altes Zeitungsblatt gelegt und getrockneter Lavendel darüber gestreut. Ein kleines Kästchen mit einem Vorhängschloß daran in der Eckschublade gab, wenn er es schüttelte, einen herzerquickenden Klang – so wie von Goldmünzen – von sich. Das genügte Mr. Bumble. Mit majestätischen Schritten kehrte er zum Kamin zurück und nahm seine frühere Stellung und Haltung wieder ein. Eine Weile dachte er nach, dann rief er mit ernster und entschlossenerMiene: »Wird gemacht – jawohl, wird gemacht.« Dieser seltsamen Erklärung ließ Mr. Bumble wohl zehn Minuten lang in höchst drolliger Weise ein tiefsinniges Kopfschütteln folgen, und schließlich unterzog er die Vorderseite seiner Beine mit deutlichem Vergnügen einer eingehenden Besichtigung.
    Noch ganz vertieft sah er auf seine Stiefel herab, da kam Mrs. Cornay plötzlich ins Zimmer gestürzt, fuhr sich zuerst einmal mit der Hand über die Augen, dann mit der andern nach dem Herzen, sank hierauf in einen Lehnstuhl und schnappte nach Luft.
    »Ja, Mrs. Cornay«, rief Mr. Bumble und beugte sich über die Armenhausmutter, »Ja, was soll denn das bedeuten, Madame? Etwas geschehen, Madame? Bitte, so antworten Sie mir doch – ich stehe wie auf – wie auf –«
    Mr. Bumble konnte in seiner Herzensangst nicht gleich das Wort Kohlen finden, er sagte deshalb aufs Geratewohl Scherben, – offenbar weil er an eine zerbrochene Flasche denken mußte.
    »Ach, Mr. Bumble«, hauchte Mrs. Cornay, »es hat mich schrecklich angegriffen.«
    »Angegriffen? wie?« fragte Mr. Bumble. »Wer hat es gewagt?! Ach ja, ich kann es mir ja denken«, unterbrach er sich selbst mit großer Würde in seiner Rede, »dieses ruchlose Armenpack, ich weiß schon.«
    »Ja ja, es war gräßlich«, jammerte die Armenhausmutter.
    »Denken Sie nicht mehr daran!« riet Mr. Bumble.
    »Ich kann mir nicht helfen«, schluchzte die Gnädige. »Ich kann mir nicht helfen.«
    »Nehmen S’ doch etwas zu sich, Madame«, schmeichelte Mr. Bumble, »ein Schlückchen Wein vielleicht.«
    »O nicht um die Welt«, lehnte Mrs. Cornay ab. »Ich könnt es nicht – O! dort rechts in der Ecke auf dem oberstenSims, o!« Sie zeigte auf den Wandschrank und bekam Krämpfe.
    Mr. Bumble stürzte zu dem Schränkchen, riß eine grüne Glasflasche von dem bezeichneten Sims herab, goß ihren Inhalt zuerst in eine Teetasse und dann der Gnädigen in den Mund.
    »Es ist mir schon viel besser«, hauchte Mrs. Cornay und sank, nachdem sie die Tasse zur Hälfte geleert, in ihren Lehnsessel zurück. Mr. Bumble schlug zum Zeichen seiner Ergriffenheit die Augen zur Decke empor, senkte sie dann wieder hernieder zur Tasse und hielt

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