Olympiareife Nummern
satt.
„Darfste überhaupt so lange wegbleiben?", frage ich ihn. „Ich bin doch schon achtzehn!", sagt er kindlich empört. „Ach ja, der alte Mercedes", fällt mir ein. Er sitzt da und macht keine Anstalten, auszusteigen. Ob er's gewohnt ist, dass der Chauffeur ihm die Tür öffnet? Er beißt sich wieder auf die Unterlippe. Weiß er, wie süß er damit wirkt?
Ich lehne mich zurück und versuche cool zu bleiben. Zumindest aber so zu tun. Sehe ihn fragend an. „Ich hab' noch nicht mal ein Mann geküsst", sagt er leise und schluckt. Wieder dieser ängstliche Blick aus scheuen Rehaugen, in den sich jetzt Hoffnung schleicht, weil ich mich ihm zuwende. Mann, der hat echt lange Wimpern! „Ist ja quasi 'ne gute Tat", denke ich, „heute bin ich irgendwie noch nicht dazu gekommen, 'ner Oma über die Straße zu helfen ..."
„Na, dann komm' her", sage ich gnädig und ganz langsam rutscht er näher...
Jan
Eigentlich müsste ich ja todmüde sein nach der letzten Nacht ... stattdessen wälze ich mich von links nach rechts und starre immer wieder auf die verdammte Uhr mit den dunkelroten Leuchtziffern. 2:37.
Letzte Woche konnte ich's kaum abwarten, Nick wiederzusehen. Und der Samstag mit ihm war so geil ... und in der Nacht zum Sonntag haben wir wie die Blöden gevögelt ... Obwohl ich da schon an Andreas gedacht habe, muss ich ehrlicherweise zugeben. Als ich ihn auf dem Weg zu seinem Haus stützte, meinen Arm um ihn gelegt hatte ... Ist es da passiert? Ich glaub' schon.
Bei ihm geschah' es, als ich ihm am Sonntag entgegen ging. „Du hast diesen Spruch gemacht, dass mir die Krücken unheimlich gut stehen würden ... da war's! Dein Lachen ...! „Oh Gott", hab' ich gedacht, „er ist Katharinas Vater!" „Wann?", fragte er, als ich mich gestern Abend wieder anzog, „aber du weißt ja, wo ich wohne!" Er brachte mich in seinen Boxershorts und Krücken zur Tür. „Was ist denn das für 'ne Hunderasse?", fragte er, als ich Arnie losband. „Och,... ein Mischling."
„So einen habe ich neulich schon mal am Elbstrand gesehen", sagte er, „da war 'n junges Pärchen, die hatten den dabei, der sah ganz genau so aus!"
Andreas Lächeln. Und wie er manchmal küsst... und als er bei mir ... oh, verdammt... ich sollte nicht an derartige Dinge denken um 2:57! In zweidreiviertel Stunden klingelt der Wecker.
Nick
Er hat noch 'n richtiges Jugendzimmer mit schmalem Bett und Regalwand mit integriertem Schreibtisch in Kiefer gelaugt. Gute Qualität. Eben Eltern mit Geld. Diverse Poster von Eminem, Tom Cruise und Tim Lobinger. Aufgeräumt ist es.
„Kein Fußball?", frage ich ihn, als ich mir die Poster ansehe. „Doch ... Raul find' ich toll", sagt er eifrig, „aber auch David Beckham!" Naja, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, obwohl... Raul?
Schüchtern ist er jetzt. Genauso wie sein Kuss im Auto. Ganz zaghaft und vorsichtig. Ich hab' ja wirklich erst gedacht, das wär so 'ne geschickte Fangmasche von ihm, diese scheuen Blicke und das Nagen auf der Unterlippe, dabei war's echt. Der ist tatsächlich noch ganz frisch und grün. „Warum bin ich bloß mitgegangen?", frage ich mich nicht zum ersten Mal.
„Kommst du noch mit rein?", hatte er mich ganz leise gefragt nach dem Kuss, „bitte!"
Ach, was sag' ich? Ein Küsschen war's. Ich will doch gar nicht sein ,Erster' sein ... oder?
„Zieh' doch deine Jacke aus", schlägt er vor. Seine hat er achtlos über 'n Stuhl geworfen.
„Wenn er sie säuberlich über die Lehne hängt, gehe ich", habe ich mit mir ausgemacht, „ich hasse ordentliche Pingel." Verloren.
Werfe meine Jacke auf seine. Oh, wie symbolisch! Er starrt mich an, dann sieht er verlegen weg. Ach ja - Fabians Netzhemd!
„Dieses Hemd steht dir gut", sagt er und wird rot. Er steht vor 'm Fenster und sieht mich wieder ängstlich an. „Vielleicht sollte er einfach noch 'n paar Jährchen warten", denke ich und spüre Ungeduld, „was will er jetzt? Wissen,
wo's langgeht oder mir seine komplette Mappe der Duplo- Sammelbildchen von der letzten Fußball-WM zeigen?" (Christoph hatte zum Schluss 10 Ballacks, 5 Kloses und 3 Neuvilles übrig, hatte er mir erzählt und irgendwie steht er seitdem nicht mehr so auf Duplo ...).
Als zweite Alternative kann ich mir natürlich auch noch vorstellen, dass er mir seine selbstgebauten Legoraumschiffe präsentiert. Die zaubert er dann aus seinem Kiefer gelaugten Eckschrank. Schon halb drei. Irgendwas muss jetzt passieren. Ich beschließe, die Initiative zu ergreifen. Gehe zu
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