Olympos

solches G e murmel hörst, dass es Wahnsinn ist, sich zu ergeben. Besser, man stirbt auf den Füßen als auf den Knien.
    IDOMENEUS Besser, man stirbt gar nicht. Haben wir keinen Plan, wie wir uns retten können?
    ALA STOR (Teukros ’ Befehlshaber) Die Schiffe sind verbrannt. Die Nahrungsmittel gehen zur Neige, aber wir werden alle ve r durstet sein, bevor wir verhungern. Die Krankheit rafft stün d lich mehr dahin.
    MENESTHIOS Meine Myrmidonen wollen ausbrechen, sich durch die trojanischen Linien kämpfen und nach Süden fli e hen – ins Ida-Gebirge und die dichten Wälder dort.
    NESTOR (nickt) Deine Myrmidonen sind nicht die Einzigen, die auf Ausbruch und Flucht sinnen, tapferer Menesthios. Doch a l lein werden sie es nicht schaffen. Keiner unserer Stämme, keine unserer Gruppen schafft es allein. Die trojanischen Linien sta f feln sich kilometerweit in die Tiefe, die ihrer Verbündeten re i chen noch weiter zurück. Sie rechnen mit einem Ausbruchsve r such. Wahrscheinlich fragen sie sich, weshalb wir es nicht schon versucht haben. Du kennst die eisernen Regeln des Zweikampfs mit Schwert, Schild und Speer, Menesthios – alle Myrmidonen und Achäer kennen sie –, für jeden, der im Zwe i kampf Schild gegen Schild fällt, werden hundert auf der Flucht getötet. Wir haben keine funktioni e renden Streitwagen mehr – Hektors Heerführer haben Hu n derte. Sie werden uns einholen und wie Schafe abschlachten, ehe wir das trockene Bett des Skamandros durchquert haben.
    DRAKIOS Dann bleiben wir also hier? Und sterben heute o der morgen am Strand beim verkohlten Spantenwerk unserer gr o ßen schwarzen Schiffe?
    ANTILOCHOS (Nestors anderer Sohn) Nein. Für jeden unserer Männer, der noch Mumm in den Knochen hat, kommt eine K a pitulation nicht in Frage, und diese Stellung wird sich schon in ein paar Stunden – vielleicht sogar schon beim nächsten Angriff – nicht mehr halten lassen, aber ich sage, wir versuchen alle gleichzeitig auszubrechen. Wir haben noch dreißigtausend Kämpfer, und von diesen sind mehr als zwanzigtausend g e sund genug, um zu kämpfen und zu fli e hen. Wahrlich, vier von fünf werden vielleicht fallen – abg e schlachtet wie Schafe, bevor wir die Wälder des Ida-Gebirges erreichen, in denen wir uns verstecken können –, doch ang e sichts diesen Chancen werden vier- bis fünftausend von uns überleben. Die Hälfte davon wird es vielleicht sogar überstehen, wenn die Trojaner und ihre Ve r bündeten den Wald nach uns durchsuchen wie Fürsten, die e i nen Hirsch verfo l gen, und die Hälfte dieser Verbliebenen findet vielleicht einen Weg, diesen gottverdammten Kontinent zu ve r lassen und über die weindunklen Meere nach Hause zu fahren. Diese Chancen sind mir gut genug.
    THRASYMEDES Mir auch.
    TEUKROS Jede Chance ist besser als die Gewissheit, dass uns e re Knochen auf diesem verfluchten, gottverdammten, dreckigen Scheißefresser- und Pissetrinkerstrand bleichen we r den …….
    NESTOR War das ein Ja zum Ausbruch, Sohn des Telamon?
    TEUKROS Und ob, Fürst Nestor, ein verdammt kräftiges und deutliches Ja!
    NESTOR Edler Epeios, du hast in diesem Rat bisher noch nicht die Stimme erhoben. Wie denkst du darüber?
    EPEIOS (tritt von einem Bein aufs andere und senkt verlegen den Blick. Epeios ist der beste Faustkämpfer der Achäer, und man sieht an se i nem Gesicht und seinem rasierten Schädel, wie viele Jahre er diesen Sport schon betreibt – Blumenkohlohren, eingeschlagene Nase, ble i bendes Narbengewebe auf den Wangen und Augenbrauenwülsten, zahllose Narben sogar auf der Kopfhaut. Mir entgeht nicht, welche Ironie darin liegt, dass er nun in diesem Rat sitzt, nachdem ich sein Leben und sein Schicksal verändert habe. Epeios, nicht gerade b e rühmt für Tapferkeit in der Schlacht, hätte die Faustkämpfe bei den von Achilles veranstalteten Wettkämpfen im Rahmen von Patroklos ’ Bestattung gewonnen und wäre der Baumeister des von Odysseus e r sonnenen Holzpferdes gewesen, wenn ich nicht vor fast einem Jahr begonnen hätte, die homerische Version dieser Geschichte durche i nander zu bringen. Wie es jetzt steht, ist Epeios nur deshalb im Rat der Befehlshaber, weil all seine vorgesetzten Offiziere – bis hin zu Menelaos – getötet worden sind.) Fürst Nestor, wenn der Gegner ganz und gar siegessicher ist, wenn er mit der Gewissheit im Herzen auf einen zukommt, dass man am Boden liegt, ang e zählt wird und nicht wieder aufstehen kann – das ist der beste Zeitpunkt, um ihm einen harten Schlag