Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Bis jetzt hören wir alle undeutlich, wie dieses Setebos-Baby uns ruft – es ist wie ein übler Geruch im Hintergrund –, aber wenn es mit Macht nach uns greift, so wie gerade bei dir, dann immer nur nach einer Person. Wenn die anderen es hören und fühlen, ist es wie ein … ich weiß nicht … ein Echo.«
    »Du glaubst also, wenn es die Kontrolle übernimmt«, sagte Hannah, »dann immer nur über einen von uns?«
    Ada zuckte erneut die Achseln. »So ungefähr.«
    Hannah warf einen Blick auf das schwere Flechette-Gewehr in Adas Hand. »Aber wenn es dich jetzt unter Kontrolle brächte, könntest du mich töten – du könntest eine Menge von uns t ö ten, bevor … «
    »Ja«, sagte Ada. »Darüber haben wir auch gesprochen.«
    »Habt ihr einen Plan entworfen?«
    »Ja«, sagte Ada sehr leise, während sie über der Grube stand. »Wir werden diese Scheußlichkeit töten, bevor es dazu kommt.«
    Hannah nickte. »Aber vorher müsst ihr alle von hier wegbri n gen. Ich verstehe, weshalb du Odysseus das Sonie nicht leihen willst.«
    Ada musste seufzen. »Weißt du, warum er es haben will, Hannah?«
    »Nein. Er will es mir nicht sagen. Es gibt so vieles, was er mir nicht sagen will.«
    »Trotzdem liebst du ihn.«
    »Seit dem ersten Tag, als wir ihn auf der Brücke gesehen h a ben.«
    »Du hast unter dem Turin-Tuch gelegen, als es noch funkti o niert hat, Hannah. Du weißt, dass jener Odysseus verheiratet war. Wir haben gehört, wie er mit den anderen Achäern über seine Frau, Penelope, gesprochen hat. Über seinen jugendlichen Sohn, Telemachos. Ihre Sprache war fremd, aber irgendwie h a ben wir sie unter dem Turin immer verstanden.«
    »Ja.« Hannah senkte den Blick.
    Unten in der Grube begann das Setebos-Baby auf seinen vi e len rosafarbenen Händen hin und her zu laufen. Fünf Ranken schlängelten sich an den Seitenwänden der Grube empor, und andere Hände schlangen sich um den Gitterrost, zerrten an dem Metall, bis es sich zu verbiegen schien. Die vielen gelben Augen des Wesens waren sehr hell.
     
    Daeman war auf dem Rückweg aus dem Wald und unterwegs zu der mittäglichen Versammlung, als er den Geist sah. Er trug einen schweren Segeltuchbeutel voller Feuerholz auf dem R ü cken und wünschte, dass er an diesem Tag Wachdienst hätte oder für den Jagdtrupp eingeteilt wäre, statt Holz schlagen und durch die Gegend schleppen zu müssen, als nur ein Dutzend Meter von ihm entfernt eine Frau aus dem Wald trat.
    Zuerst sah er sie nur aus den Augenwinkeln – das reichte, um zu erkennen, dass es ein Mensch weiblichen Geschlechts war, folglich jemand aus der Ardis-Gemeinde und kein Voynix –, und er ging noch ein paar Sekunden lang weiter, das Flechette-Gewehr in der rechten Hand. Die Mündung zeigte zu Boden, und er hielt den Blick gesenkt, während er den schweren Beutel auf seinem Rücken hochzog, doch als er sich ihr zuwandte, um einen Gruß zu rufen, erstarrte er.
    Es war Savi.
    Er richtete sich kerzengerade auf, und die schwere Holzlast in seinem behelfsmäßigen Segeltuchrucksack hätte ihn beinahe rücklings umkippen lassen. Es wäre keine Überreaktion gew e sen. Er starrte die Erscheinung mit großen Augen an.
    Es war Savi – aber nicht die grauhaarige, ältere Savi, die Cal i ban fast ein Jahr zuvor in den Höhlen unter Prosperos Hölle n loch von einer Orbitalinsel vor seinen Augen getötet und for t geschleift hatte – dies war eine jüngere, blassere, schönere Savi.
    Eine wieder zum Leben erweckte Savi? Nein.
    Ein Geist, durchfuhr es Daeman, und gleichzeitig verspürte er einen Stich der Angst. In seiner Altmenschenzeit glaubte man nicht an Geister; selbst der Begriff und seine Bedeutung waren weitgehend unbekannt. Abgesehen von Erwähnungen im Turin-Drama hatte Daeman noch nie etwas von Geistern g e hört, und auch Gespenstergeschichten waren ihm erst bege g net, als er im vergangenen Herbst angefangen hatte, die alten Bücher in Ardis zu sigln.
    Aber dies musste ein Geist sein.
    Die junge Savi wirkte nicht vollständig stofflich. Sie hatte e t was … Schimmerndes an sich, als sie ihn ansah, sich umdrehte und direkt auf ihn zukam. Daeman merkte, dass er durch sie hindurchschauen konnte, noch mehr als durch das Hologramm von Prospero auf dessen Orbitalinsel.
    Dennoch wusste er irgendwie, dass dies kein Hologramm war. Dies war … etwas Reales, etwas Reales und Lebendiges, obwohl von ihrem ganzen Körper ein sanfter, heller Lichtschein ausging und ihre Füße den Boden wie schwerelos zu berühren

Weitere Kostenlose Bücher