Olympos
Ich spüre beinahe, wie sich das schreckliche Gift, das Herkules ursprünglich von den tödlich s ten Schlangen gesammelt haben soll, ins Holz des Tisches e r gießt.
Zeus macht große Augen. Achilles rührt sich nicht.
Zeus bückt sich wie der Blitz, richtet sich mit einem weiteren Pfeil wieder auf, tritt näher, legt den Pfeil ein, spannt den B o gen, lässt den Pfeil fliegen.
Er verfehlt sein Ziel. Aus anderthalb Meter Entfernung ve r fehlt der vergiftete Pfeil sein Ziel.
Achilles bewegt sich nicht. Er starrt voller Hass in die nu n mehr von Panik erfüllten Augen des Vaters aller Götter.
Zeus bückt sich erneut, legt mit sorgfältiger Präzision einen weiteren Pfeil ein und spannt den Bogen wieder bis zum A n schlag. Seine mächtigen Muskeln glänzen jetzt von Schweiß, er strengt sich sichtbar an, der mächtige Bogen summt beinahe von seiner gespannten Kraft. Der König der Götter tritt vor, bis die Spitze des Pfeils nur noch ein paar Zentimeter von Achilles ’ breiter Brust entfernt ist.
Zeus schießt.
Der Pfeil verfehlt sein Ziel.
Das ist unmöglich, aber ich sehe, wie sich der Pfeil hinter Achilles in die Wand bohrt. Er ist nicht durch Achilles hi n durchgegangen, auch nicht um ihn herum, sondern er hat i r gendwie – unvorstellbarerweise – sein Ziel vollständig verfehlt.
In diesem Moment macht Achilles einen Satz nach vorn, schlägt den Bogen beiseite und packt den doppelt so großen Gott am Hals.
Zeus taumelt im Raum herum, versucht, Achilles ’ starke Hände von seinem Hals zu lösen, und prügelt mit einer Götte r faust auf ihn ein, die halb so breit ist wie Achilles ’ breites Kreuz. Der fußschnelle Männertöter lässt nicht los. Zeus schlägt wild um sich, zertrümmert Balken, den Tisch, den Türbogen und die Wand selbst. Es sieht aus, als hinge ein Kind an einem Mann, aber Achilles lässt nicht los.
Dann gelingt es dem viel größeren Gott, seine starken Finger unter Achilles ’ viel kleinere Finger zu zwängen, und er löst z u erst die linke, dann die rechte Hand des Sterblichen. Zeus hält Achilles mit seinen massigen Händen an den Unterarmen fest und schlägt, stößt und kracht nun mit tödlicher Absicht gegen alle möglichen Dinge. Der Sterbliche baumelt herab, während Zeus ihm Kopfstöße versetzt – es klingt, als würden zwei ries i ge Felsbrocken zusammenstoßen –, dann seine Götterbrust g e gen die Rippen des Sterblichen rammt und schließlich mit ihm gegen die unnachgiebige Wand und den gegenüberliegenden Durchgang prallt, wobei er Achilles ’ Rücken gegen den u n nachgiebigen Stein des Türrahmens presst.
Noch fünf Sekunden, und er wird Achilles das Kreuz brechen wie einen Bogen aus billigem Pappelholz.
Achilles wartet keine fünf Sekunden. Nicht einmal drei.
Irgendwie hat der fußschnelle Männertöter einen Moment lang die rechte Hand frei bekommen, während Zeus ihn immer weiter nach hinten biegt und sein Rückgrat knirschend an sen k rechtem Stein schabt.
Was als Nächstes geschieht, sehe ich nur im Netzhaut-Nachbild, so schnell geht es.
Achilles ’ Hand kommt von seinem Bauch und seinem Gürtel herauf. Er hält ein kurzes Messer in der Faust.
Er rammt Zeus die Klinge unter dem bärtigen Kinn hinein, dreht das Messer, stößt es noch tiefer hinein und dreht es e r neut. Sein eigener Schrei übertönt Zeus ’ Schreckens- und Schmerzensschrei.
Zeus taumelt rücklings in die Vorhalle und stürzt in den nächsten Raum. Hephaistos und ich laufen hinterher.
Sie sind nun in Odysseus ’ und Penelopes privatem Schlafg e mach. Achilles zieht die Messerklinge heraus, und der Vater aller Götter hebt seine massigen Hände an die eigene Kehle, das eigene Gesicht. Goldener Ichor und rotes Blut spritzen stoßwe i se in die Luft, fließen aus Zeus ’ Nasenlöchern und seinem off e nen, klaffenden Mund färben den weißen Bart golden und rot.
Zeus fällt rücklings aufs Bett. Achilles holt mit dem Messer weit aus, stößt es tief in den Bauch des Gottes und zieht es dann nach oben und nach rechts, bis die magische Klinge auf den Brustkorb trifft.
Zeus schreit erneut, aber bevor er die Hände in den Bauch krallen kann, hat Achilles meterlange graue Eingeweide he r ausgezogen – glänzendes Göttergedärm –, sie mehrmals um einen der vier Pfosten von Odysseus ’ riesigem Bett gewickelt und mit einem schnellen, sicheren Seemannsknoten festgezurrt.
Dieser Pfosten ist der lebendige Olivenbaum, um den Odysseus di e sen Raum mit dem Bett erbaut hat, denke
Weitere Kostenlose Bücher