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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich wie betäubt. Die Ze i len aus der Odyssee, die ich schon als Kind gelesen habe, fallen mir wieder ein. Odysseus spricht zu seiner zweifelnden Pen e lope:
     
    Ein blätterbreitender Ölbaum
     
    Ausgewachsen und voll, an Umfang wie eine Säule;
    Rings um diesen erbaut ich das Schlafgemach, bis es vollendet,
    Aus dicht schließenden Steinen, es oben gut überdachend;
    Tü ren setzte ich ein da, dichtgefü gte, verbund ’ ne,
    Schnitt dann ab das Laub des blätterbreitenden Ölbaums,
    Hieb den Stamm zurecht von der Wurzel her, glättete rings ihn
    Fachgerecht mit dem Erz und machte ihn grad nach der Richtschnur,
    Kunstvoll zum Pfosten am Bett, ihn ganz mit dem Bohrer durchbohrend.
    So begann es, so schuf ich das Bett, bis ich es vollendet,
    Zierte es noch mit Gol d, mit Elfenbein und mit Silber
    Und zog ein einen Gurt aus purpurnem Leder vom Rinde.
     
    Jetzt sind nicht nur die Rindsledergurte purpurrot gefärbt, als Zeus sich abmüht, sich von den Fesseln seiner eigenen festg e bundenen Gedärme zu befreien; goldener Ichor und allzu menschliches rotes Blut fließen aus seinem Hals, seinem Gesicht und seinem Bauch. Geblendet von Schmerz und Blut, tastet der mächtige Zeus mit weit ausholenden Armbewegungen nach seinem Pe i niger. Bei jedem Schritt auf der Suche nach Achilles, jedem Ze r ren an seinen Fesseln zieht er weiteres glänzendes graues G e därm heraus. Selbst der unerschrockene Hephaistos hält sich die Ohren zu, um seine Schreie nicht hören zu müssen.
    Achilles tänzelt leichtfüßig außer Reichweite und tanzt dann näher heran, um auf die Arme und Beine, die Schenkel, den Penis und die Kniesehnen des blinden Gottes einzustechen und einzuhacken.
    Zeus stürzt auf den Rücken, immer noch durch zehn oder mehr Meter verknoteter grauer Eingeweide mit dem lebenden Olivenbaum-Bettpfosten verbunden, aber das unsterbliche W e sen schlägt weiterhin brüllend um sich und verspritzt Ichor in komplizierten Rorschach-Mustern aus göttlichen arteriellen Blutfontänen über die Decke.
    Achilles verlässt den Raum und kommt mit seinem Kamp f schwert zurück. Er arretiert Zeus ’ um sich schlagenden linken Arm mit einem kampfsandalenbewehrten Fuß, hebt das Schwert hoch und lässt es mit solchen Schwung niedersausen, dass es Funken auf dem Boden schlägt, nachdem es Zeus ’ Hals durchtrennt hat.
    Der Kopf des Vaters aller Götter purzelt davon und rollt u n ters Bett.
    Achilles geht auf ein blutbesudeltes Knie und scheint sein G e sicht in der riesigen offenen Wunde zu begraben, wo Zeus ’ g e bräunter, muskulöser Bauch gewesen ist. Eine ganz und gar schreckliche Sekunde lang bin ich sicher, dass Achilles die Ei n geweide seines gefallenen Feindes isst; sein Gesicht ist weitg e hend in der Bauchhöhle verschwunden – ein Mann, der zum reinen Raubtier geworden ist, einem reißenden Wolf.
    Aber er hat nur etwas gesucht.
    »Ahah!«, schreit der fußschnelle Männertöter und zieht eine große, noch pulsierende, ins Purpurne spielende Masse aus dem Gewirr aus glänzendem Grau.
    Zeus ’ Leber.
    »Wo ist Odysseus ’ gottverdammter Hund?«, fragt Achilles mit glänzenden Augen, aber es ist eine rhetorische Frage. Er setzt sich in Bewegung, um die Leber zu dem Hund Argos hi n auszubri n gen, der irgendwo auf dem Hof kauert.
    Hephaistos und ich treten rasch beiseite und machen Achilles Platz, als er an uns vorbeikommt.
    Als die Schritte des Männertöters – des Göttertöters – verkli n gen, sehen der Gott des Feuers und ich uns in dem Raum um.
    Jeder Quadratzentimeter des Bettes, des Fußbodens, der D e cke und der Wand ist mit Blut und Ichor bespritzt.
    Der riesige, kopflose Leichnam auf dem Steinboden, der nach wie vor an den Olivenbaum-Pfosten gefesselt ist, zuckt und windet sich immer noch. Seine blutigen Finger schließen und öffnen sich.
    »Heilige Scheiße«, haucht Hephaistos.
    Ich will den Blick abwenden, aber es gelingt mir nicht. Ich will den Raum verlassen, um irgendwo still und leise zu kotzen, aber auch das gelingt mir nicht. »Was … wie … es ist immer noch … teilweise … am Leben«, stoße ich keuchend hervor.
    Hephaistos zeigt mir sein wahnsinnigstes Grinsen. »Zeus ist ein Unsterblicher, weißt du noch, Hockenberry? Er leidet auch jetzt noch Todesqualen. Ich werde die Stücke im himmlischen Feuer verbrennen.« Er bückt sich und hebt das kurze Messer auf, das Achilles benutzt hat. »Aphrodites Götter tötende Kli n ge wandert ebenfalls ins Feuer. Ich werde sie einschmelzen und etwas

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