Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
fröhlichen, entspannten Feriengäste seinen Gemütszustand noch. Er schien der Einzige weit und breit zu sein, der einen Haufen Sorgen mit sich rumtrug. Hoffentlich wird Mama meinen endgültigen Absturz nicht mehr erleben, wünschte er sich in Gedanken.
Die Wirkung der Thai-Klopse hatte leider nachgelassen, und so ein Essen konnte man ja auch nicht jeden Tag wiederholen. Die nächste Miete würde er dank Jades Veranstaltung bezahlen können, aber damit war die Kuh noch nicht vom Eis. Susanne Lindner hatte ihn mit den Getränkepreisen mehr oder weniger in der Hand.
Mensch, sie hatten Hauptsaison, und die Strandkörbe waren voll! Eigentlich mussten doch von den Touristen einige bei ihm hängen bleiben, oder war er einfach zu blöd?
Der Klingelton seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
«Moin, Arne, hier is Ekki, du hast bei mir anjerufen? Tut mir leid, det wurde mir erst heute ausjerichtet. Wie geit di dat?»
Er grinste. Wenn sein alter Kumpel Ekki als Urberliner versuchte, Plattdeutsch zu reden, klang das so wie Bouletten mit Vanillesauce. Aber es war nett gemeint.
«Ich sitze gerade in der Sonne am Strand. Und du?»
Ekki lachte.
«Du hast gewonnen! Ich hocke in einem öden klimatisierten Büro.»
«Ich habe es auch nicht leicht», seufzte Arne theatralisch. «Mich blendet den ganzen Tag die Sonne. Und die Nordsee glitzert auch wie wahnsinnig. Wenigstens bringt das Wasser einen kühlen Lufthauch in die Hitze …»
«Noch ein Wort, und ich mache meinen Laden dicht», stöhnte Ekki und lachte.
«Du bist jederzeit eingeladen.»
«Ich nehme dich beim Wort.»
«Ab in den nächsten Zug!»
«Gib mir Zeit bis September – würde dir das passen?»
«Jederzeit. Du bekommst im Erdbeerparadies ein eigenes Zimmer.»
«Ich brauche vor allem einen Tresen, an dem wir dumm rumquatschen können.»
«Ist alles inklusive. Du hast pauschal gebucht.»
Falls es das Erdbeerparadies dann noch gab …
«Also, bis bald.»
«Tschüs, Ekki!»
Erst nachdem er sein Handy wieder eingesteckt hatte, wurde ihm klar, dass ihm gar nicht in den Sinn gekommen war, Ekki um einen Job zu bitten. Damit war es entschieden: Er würde auf Föhr bleiben und nicht nach Berlin gehen. Dies war vielleicht seine letzte Chance, das Erdbeeparadies zu retten, und die würde er nicht ungenutzt lassen!
In diesem Moment stürmte ein halbes Dutzend Jugendliche den Strand. Sie waren etwa sechzehn, und jeder von ihnen hatte einen Packen Handzettel dabei. Jade trieb sie vor sich her wie eine Schäferin ihre Herde. Das Thema Werbung hatte er komplett ihr überlassen, sie kannte die Zielgruppe viel besser als er. Er würde dann erst an der Kasse und im Getränkeverkauf wieder mit einsteigen.
Arne staunte, mit welcher Akribie und Hartnäckigkeit sich Jade in die Gastronomie eingearbeitet hatte. Sie scheute sich nie, dort anzupacken, wo es etwas zu tun gab, selbst wenn es ums Kloputzen ging. Nun sah er mit Vergnügen zu, wie sie sich an der Wasserkante aufstellte. Hinter ihr lief die Flut auf, als sei das Meer herbeigeeilt, um sie bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. Sie sprach in ein Megaphon und vibrierte förmlich vor Energie: «Morgen Nachmittag findet im Erdbeerparadies ab vier Uhr eine Teenie-Disco statt. Alle zwischen zwölf und siebzehn sind herzlich eingeladen. Der Eintritt beträgt fünf Euro.» Ihre Stimme hatte einen wunderbar vollen Klang, das sollte er ihr bei Gelegenheit einmal sagen. Die Teenies waren schnell umringt von Gleichaltrigen und einigen Eltern, die nach Handzetteln verlangten.
«Meinst du, ich sollte da mitmachen? Damit die Eltern wissen, dass auch Erwachsene dabei sind?», fragte er seine Mutter.
Für die Antwort brauchte sie keinen Schreibblock, sie zeigte ihm einen Vogel.
Er lachte. Seine Mutter war immer direkter und ehrlicher als die meisten Menschen gewesen, womit sie sich nicht nur Freunde gemacht hatte.
Plötzlich stand Jade grinsend vor ihnen.
«Hi, habt ihr morgen Nachmittag Zeit?», fragte sie kokett. «Es gibt ab 16 Uhr eine Teenie-Disco im Erdbeerparadies.»
«Ich schaue mal, ob ich es schaffe», sagte Arne.
Seine Mutter deutete mit beiden Daumen auf sich, um zu signalisieren: «Ich komme auf jeden Fall!»
Zwei junge Mädchen, die gerade an ihnen vorbeigingen, blickten einander staunend an.
«Die wollen in die Disco?», fragte die eine.
«Die sind genauso alt wie ihr!», rief Jade ihnen fröhlich hinterher und deutete auf ihre Großmutter und ihren Onkel. «Sie tragen nur gerade ihre Halloween-Masken
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