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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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ihre Kapuze zu: «Und selber?»
    «Ich hab zuerst gefragt.»
    Maria lächelt einfach weiter – und sagt nichts. Wir starren stumm auf das weißschäumende Kielwasser. Sie hat recht, es ist blöde.
    «Wie das wohl bei uns ist, wenn wir alt sind?», sinniere ich. «Wie werde ich mich fühlen?»
    «Für mich ist das vollkommen klar», wundert sich Maria.
    «So?»
    «Ich setze mich auf Parkbänke, wo sich viel junge Leute aufhalten, vor einer Halfpipe vielleicht, falls es so was dann noch gibt. Und dann labere ich sie gnadenlos voll mit Geschichten aus meinem Leben.»
    «Superplan», sage ich. Dann lege ich kurz, wirklich nur ganz kurz, meinen Arm um Marias Schultern und schüttele sie aus Spaß einmal sanft hin und her.

20.   Stabile Seitenlage
    Am nächsten Nachmittag beginnt die Band in der Kurmuschel ihr Programm mit
Lady in Red
, gesungen von dem Bassgitarristen mit den langen schwarzgefärbten Haaren. Die russische Sängerin tritt in den Hintergrund und bedient nur hin und wieder ein Tamburin. Und das auch nur aus Verlegenheit, weil sie nicht einfach so auf der Bühne rumstehen kann. Der Himmel ist wieder bedeckt und grau, aber in Pullover und Jacke kann man sich gerade noch auf Omas Balkon aufhalten, ohne zu frieren.
    Cord, Arne und ich sitzen uns gegenüber und schweigen uns an. Arne hat sich ein schwarzes Jackett über das olivgrüne T-Shirt gezogen, ich trage einen blauen Seemannspullover und darüber ein graues Jackett. Cord steckt wieder in seinem grauen Anzug, den er schon am Strand getragen hat, dazu trägt er ein beiges Hemd, das er bis oben zugeknöpft hat. Sieht fast aus wie eine Zwangsjacke. Auf dem hölzernen Teewagen liegt der Föhn in Kunstharz, den ich Oma geschenkt habe.
    Die nachgeholte Geburtstagsfeier wird nicht reibungslos verlaufen, das steht fest, denn Oma muss ihre Entscheidung wegen des Hauses verkünden. Das allein wäre schon schlimm genug.
    Aber inzwischen ist das nicht mehr der größte Stolperstein.
    Maria hat ihren Vater noch gestern von der Fähre aus angerufen und ihn beruhigt, dass wir Oma gefunden haben. Und auch wo. Das wird sofort rumgegangen sein. Cord, Arne und Regina werden ausflippen, wenn es um den Lover ihrer Mutter geht. Ich bin entschlossen, als Omas Anwalt aufzutreten. Maria würde mir mit Sicherheit beistehen, aber sie kann leider nicht kommen, weil sie schläft. Letzte Nacht war der schleswig-holsteinische Innenminister spontan auf der Insel, weshalb sie die ganze Zeit vor seinem Ferienhaus Wache schieben musste. Ich war also gestern Abend wieder alleine in Marias Einliegerwohnung, was aber diesmal gar nicht schlecht war, denn ich habe mich auf die Couch gelegt und das getan, worüber ich sonst nur lästere: Kuschelrock 2   –   4 gehört, was total kitschig und gut war. Dazu habe ich Unmengen Schokolade verdrückt.
     
    Regina poltert mit zwei Plastikschüsseln ins Wohnzimmer, in ihrem Kielwasser schwimmen Holger und John. Da wir nun vollständig sind, gehen wir anderen auch rein und gruppieren uns unter dem Elefantenbild.
    «Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag», leiert John herunter und reicht Oma seine dicke Tatze.
    «Friesentorte!», ruft Regina einladend.
    Heute wirkt sie einigermaßen nüchtern. Ihr Mann schickt ein viel zu lautes
Moin, Moin
in den Raum. Weitere Stühle werden aus der Küche geholt, Positionen werden festgelegt, dann versinkt alles in düsterem Schweigen.
    «Mensch Oma, sechsundsiebzig, Wahnsinn!», versucht Regina das Gespräch mit gespielter Fröhlichkeit anzuwerfen. Als sei es ein ganz normaler Geburtstag, nachdem Oma zudem eigentlichen Fest nicht erschienen, sondern zu ihrem heimlichen Liebhaber geflüchtet ist, mit dem sie seit über vierzig Jahren zusammen ist.
    «Ich finde es wunderbar, dass die ganze Sippe endlich mal wieder zusammenhockt», behauptet Arne und gießt das Wasserglas vor sich randvoll mit Schnaps. Wer’s glaubt.
    «Tja, nun ist es raus», sagt Oma unvermittelt und schaut unsicher in die Runde.
    «Oma, es ist
dein
Leben und
deine
Liebe», stelle ich sofort klar. Natürlich ist es eher an die anderen gerichtet.
    Cord starrt düster vor sich hin. «Erzähl uns mehr, Mama.»
    «Wieso sollte sie das?», gibt Arne zurück. Anscheinend will er davon nichts wissen.
    «Johannes ist sehr krank», gebe ich meinen Verwandten zu bedenken, bevor sie die Keule ziehen. Regina schweigt zwar, aber sie sieht aus, als sei sie kurz vorm Implodieren.
    Oma wirft mir einen gütigen Blick zu.
    «Du hast ihn gesehen,

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