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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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aussehen und das Leben erfreulich machen.
    Wenn Sie weiterhin die Frauen nur deshalb loben, weil sie hart arbeiten, dann werden sie unlustig und fanatisch. Und das wird sehr langweilig werden - für Sie wie für die Frauen. Deshalb möchte ich den russischen Männern folgendes sagen: Schenken Sie Ihren Frauen hübsche Kleider, Modejournale, Blumensträuße und Süßigkeiten - Luxus statt Wesentlichkeiten - und Sie werden sehen, daß alles andere, was Sie brauchen, von allein kommt: guter Geschmack, Lebensfreude, Heiterkeit, Ausgelassenheit und Lachen.»
    Miss Baker setzte sich ziemlich unvermittelt hin, und eine Sekunde lang herrschte betäubtes Schweigen. Dann aber brach ein Sturm der Begeisterung los. Alle klatschten wie wild, bis die Hände taub waren, weniger wegen ihres weisen Ratschlages als wegen ihres unerschütterlichen Muts und ihres Elans.
    «Es war großartig», gratulierte der Vertreter des Stadt-Sowjets und schüttelte Miss Bakers Hand ausgiebig. «Unlogisch, aber großartig. Ich werde meiner Frau heute abend eine Schachtel Pralinen mitbringen.»
    «Bekanntlich werden Kritik und Selbstkritik in der Sowjetunion sehr ermutigt», sagte der Präsident der Antifaschistischen Liga. «Ihr konsumgesellschaftlicher Ansatz ist zwar für die Sowjetunion verfrüht, aber Ihre; Rede wird mir immer als ein Höhepunkt des Besuches Ihrer Delegation in Erinnerung bleiben.»
    Da diesmal nach dem Abschluß des Essens keinerlei Neigung zum allgemeinen Aufbruch bestand, blieb es einem frustrierten und über Miss Bakers plötzlichen Glanz verärgerten Sir William überlassen, seine Delegation in Richtung auf die Tür in Marsch zu setzen. Er war tief getroffen,; daß seine taktvollen Ansprachen und einschmeichelnden Worte nur auf höfliche Zurückhaltung gestoßen waren, während Miss Bakers unverblümte Kritik an der Sowjetunion so warmen Beifall geerntet hatte.
    «Wir müssen morgen früh zeitig aufstehen, damit wir das Flugzeug nach Prag erreichen», sagte er in beleidigtem Ton. «Doswidanja, doswidanja.» (Dies in dem Versuch, etwas von Mrs. Cartwrights Erfolg mit ihren russischen Sätzen für sich in Anspruch zu nehmen.)
    Boris blieb zurück und ging, sobald er sich verabschiedet hatte, wieder in den Eßsaal. Er steuerte direkt auf Miss Bakers Stuhl zu und stöberte auf dem Boden unter dem Tisch, wie er erwartet hatte, den zerknüllten Zettel auf. Von ihm erhoffte er sich Aufklärung über Miss Bakers so brillant abgefaßte Offensive, deren Erfolg gegen reine Zufälligkeit sprach. Zweifellos enthielt der Zettel den detaillierten Plan, wie Sir Williams sorgsam gewählte Lobesworte und die höflich-neutrale Haltung der Delegation untergraben werden sollten. Ein paar Minuten lang studierte Boris den Zettel mit großem Ernst, dann trug er ihn triumphierend zu Nina.
    «Die Briten sind unverbesserlich unvorsichtig», sagte er. «Ich habe eine ihrer Mitteilungen abgefangen.»
    Nina las den Zettel verdutzt.
    Es war ein kurzes Briefchen in Dr. Clarks Handschrift: «James und ich wissen, wo wir nach dem Theater hier einen e-c-h-t-e-n Whisky- und Soda bekommen können. Mrs. Cartwright kommt auch mit. Wenn Sie Lust haben, mit von der Partie zu sein, dann warten wir auf Sie in der Halle.»
    «Ja», sagte Nina, die versuchte, mit Boris’ Begeisterung Schritt zu halten. «Alle vier sind gerade in einem Taxi weggefahren.»
    «Weißt du die Nummer von dem Taxi? Hast du gehört, wo sie hin wollten?»
    «Nein. Dr. Clark hat dem Chauffeur einen Zettel mit einer russischen Adresse gezeigt. Er schien zu verstehen, und alle stiegen ein. Aber warum interessiert dich das so?»
    «Diese Mitteilung», sagte Boris streng, «ist offensichtlich chiffriert. Miss Baker ist sehr durchtrieben. Aber wir werden schon alles zur Zeit entziffern.»

    Völlig ahnungslos, daß Dr. Clark ihnen eine chiffrierte Nachricht hatte zukommen lassen, saßen Mrs. Cartwright und Miss Baker zusammen mit ihm auf dem Rücksitz eines klapprigen Taxis und fragten neugierig, wo in dieser kalten, mondbeglänzten Wüste, zu der Moskau bei Nacht geworden war, ein Whisky-und-Soda zu bekommen wäre.
    «Wir gehen zu einer Geburtstagsfeier», verkündete James Bailey vom Vordersitz neben dem Fahrer.
    «Angefangen hat es damit, daß Sir William James und mich heute nachmittag zu seinem Besuch beim Botschafter mit in die Botschaft geschleift hat», erklärte Dr. Clark. «Er dachte, es wirke imponierender, wenn er eine Leibwache dabei hat.»
    «Und dann ließ er uns in der Halle zurück

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