Oma und Frieder - Sammelband
nicht auf. Schnell rennt der Frieder los und holt sein Sandspieleimerchen. Mit dem spielt er schon lange nicht mehr, ist doch Babykram, aber jetzt, für seinen Plan, kann er es gut gebrauchen. Er taucht es in die Regentonne, bis es voll zum Uberschwappen ist, und schaut zum Apfelbaum hoch. Da muss er nämlich rau£ Mit dem vollen Eimerchen. Das schafft er leicht. Auf den Apfelbaum ist er schon oft gestiegen. Der ist ja nicht hoch. Den schafft er auch mit einem Eimerchen voller Wasser.
Frieder steigt mit einem Fuß auf den dicken Knorpel am Stamm, zieht sich mit einer Hand an einem Ast hoch, steigt weiter, fasst weiter und beinahe kein Wasser kippt aus dem Eimer raus. Frieder freut sich. Und dann hat er es ge-schafft! Er sitzt auf seinem Lieblingsast, hoch über der Oma, die da unten recht und harkt, hält das Eimerchen fest an seinen Bauch gedrückt. Taucht eine Hand in den Eimer und spritzt ein paar Tropfen auf die Oma, die gerade mit einem Arm voll Laub zum Apfelbaum kommt.
Getroffen! Die Oma schüttelt den Kopf, wischt sich übers Haar, murmelt was und geht wieder weg. Hoch geschaut, zum Frieder hoch, hat sie nicht.
Also, das war zu wenig Regen, ganz klar. Da muss mehr Regen her, weil's sonst die Oma gar nicht merkt.
Wieder spritzt der Frieder, diesmal mit beiden Händen, das Eimerchen klemmt er zwischen die Knie.
Wieder schüttelt die Oma den Kopf, wischt sich übers Haar, murmelt was und geht wieder weg. Sie schaut nicht hoch, sie hört nicht auf zu arbeiten.
>Ich muss es richtig regnen lassem, denkt der
Frieder, >da muss ein richtiger Schutt runter<, und er kichert und dann wartet er, bis die Oma genau unter ihm steht, und dann kippt er mit einem Schwapp das ganze Eimerchen auf die Oma drauf!
»Ha!«, kreischt die, lässt den Rechen fallen und schaut nach oben. Und jetzt muss der Frieder laut lachen.
Ganze Wasserbäche laufen der Oma übers Gesicht und über ihren Busen auch und ihre Schürze ist klatschnass!
»Oma, ich bin der Regen!«, ruft der Frieder fröhlich runter und schwenkt den leeren Eimer und da kreischt die Oma los: »Ja spinnst du jetzt? Ja bist du denn vom wilden Watz gebissen? Platscht der doch seine Oma nass, na warte!«
Sie greift nach dem Ast und hebt ihren Fuß auf den Stammknorpel und ächzt und zieht sich hoch und Frieder erschrickt. Die Oma will ihn holen. Sie steigt ihm nach. Und dann gibt's Arger, ganz klar.
Schnell rutscht er nach vorne, dorthin, wo der Ast dünner wird und dünner, er rutscht noch weiter. Und da tut's einen Knacks und der Ast bricht ab und Frieder fällt runter. In die volle Regentonne. Mitten hinein! »Ha!«, kreischt die Oma auf, lässt den Ast los, den abgebrochenen, und ist mit einem Sprung bei der Regentonne und zieht einen patschnassen, triefenden, spuckenden Frieder heraus. »Kind, Bub!«, jammert sie. »Ist dir was geschehen?«
»Nee, Oma«, japst der Frieder und wischt sich Wasser aus den Haaren und wischt sich Wasser aus den Augen und spuckt Wasser und in seinen Ohren gluckert es noch. Heil ist er schon, aber er ist nass, viel nässer noch als die Oma. Und kalt ist ihm, er zittert und klappert. »Ich hab's doch bloß regnen lassen wollen, Oma«, schnieft er und schon wieder kommt Wasser aus seinen Augen, aber diesmal sind es Tränen.
»Regen macht der liebe Gott, nicht du, dass du's nur weißt«, sagt die Oma und sie nimmt den Frieder an die Hand, lässt Garten Garten sein und blitzgeschwind rennen sie nach Hause. Auf dem Nachhauseweg fängt es auch noch tatsächlich an zu regnen. Vorwurfsvoll zeigt die Oma nach oben, auf die Regentropfen, und vorwurfsvoll schüttelt sie den Kopf und Frieder nickt und heult und klappert mit den Zähnen.
Zu Hause gibt's zuerst ein heißes Bad, für Frieder und dann für die Oma. Dann gibt's einen heißen Tee, für beide gleichzeitig. Und dann wickelt die Oma sich und den Frieder in eine dicke Wolldecke und dann hocken Oma und Frieder als dickes, doppeltes Wolldeckenpaket vor dem Fernseher. Die Kindersendung hat nämlich doch noch nicht angefangen. Erst jetzt. Und was gibt's zu sehen? Eine Regentropfengeschichte!
»Das fehlt grad noch«, murrt die Oma und Frieder nickt und grinst. Vom Regen haben heute beide genug, Oma und Frieder. Aber
dann bleiben sie doch sitzen und schauen zu. Weil man beim Fernsehen nicht nass werden kann.
»Oma«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Oma, jetzt rate mal, was ich bin!«
»Ja, lässt du mich gleich los, Rotzbub!«, zetert die Oma. »Stör mich doch nicht, ich
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