Oma und Frieder - Sammelband
Nadel, die ist krumm«, sagt die Oma und greift nach der verbogenen Stricknadel.
»Na ja, Räuber sind halt so«, grinst der Frieder und nimmt die Nadel und biegt daran herum.
»Na ja, Räuber sind halt so«, grinst die Oma und nimmt den Teddy und pufft an ihm herum. Und Oma und Frieder puffen und biegen, bis
der Teddy nur noch zwei Dellen hat. Und die Stricknadel einen Knick.
»Hauptsache, die Räuber sind weg!«, sagt die Oma und gibt dem Frieder einen Schmatz. »Hauptsache, der Teddy ist wieder da«, sagt der Frieder. Und gibt auch einen Schmatz. Dem Teddy. Auf die eingedellte Nase.
»Oma«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Oma, mir ist so heiß! Mach was!«
»Ja, lässt du mich gleich los, Rotzbub!«, zetert die Oma. »Was glaubst du denn, was mir ist?« Die Oma liegt im Garten im Liegestuhl und hat ein Taschentuch auf dem Kopf. Wegen der Sonne. Die brennt vom Himmel. Ein knallheißer Sommertag. Und Frieder schwitzt sich beinahe kaputt. »Oma«, jammert der Frieder und Schweiß tropft auf seine Nase. »Oma, kauf mir ein Eis. Eis hilft!«
»Ich rühr mich nicht vom Fleck«, sagt die Oma und wischt sich die Stirn. »Ist viel zu heiß und damit Schluss.« Die Oma klappt die Augen zu, grunzt tief und schläft ein.
Frieder steht daneben und schwitzt und ärgert sich. Wie kann man denn bloß schlafen bei der
Hitze. Die Oma, die kann. Er nicht. Er möchte jetzt ein Eis, ein kaltes, süßes. »Wenn ich kein Eis krieg, dann verschwitze ich, bestimmt«, murrt der Frieder. Er murrt nur leise. Eine schlafende Oma darf er nicht stören. Aber eine schlafende Oma kauft auch kein Eis ... Frieder seufzt tief auf und denkt sehnsüchtig an Eis. Riesenwaffeltüteneis. Riesig groß und himbeerrot. Oder waldmeistergrün. Oder vanillegelb. Oder alles zusammen. Dem Frieder läuft die Spucke im Mund und der Schweiß von der Stirn. Der Frieder stöhnt tief auf ... und plötzlich hat er eine Idee. Er kauft das Eis eben selber. So! Er ist ja schon groß, er kann schon lange selber kaufen. Geld hat er keins. Das Sparschwein steht zu Hause, im Kinderzimmer. Macht nichts. Der Eismann borgt ihm sicher ein Eis. Er will ja bloß ein kleines. Und der Oma bringt er auch eins mit. Als Überraschung. Da wird die aber staunen. Frieder freut sich und Frieder schleicht los. Auf Zehenspitzen zur Gartentür.
Der Eismann steht da vorne an der Straße. Das weiß der Frieder. Da hat er ihn gesehen. Bloß, wo genau da vorne, das weiß der Frieder nicht. Macht nichts. Er findet ihn, bestimmt. Leise schlüpft der Frieder aus dem Garten und ist schon auf der Straße. So leicht geht das. Die Straße liegt verlassen ... keine Autos, keine Menschen. Bloß Häuser. Und kein Eismann. Frieder schaut nach rechts und Frieder schaut nach links.
»Links«, sagt der Frieder und marschiert los. Nach rechts. Marschiert die lange, stille Straße runter. Kein Auto, keine Menschen, und kein Eismann. Macht nichts. Die Stadt hat viele Straßen. Und irgendwo steht der Eismann. Bestimmt. Frieder biegt um eine Ecke ... jetzt, da ... der Eismann. Kein Eismann. Nur eine Straße, lang und still. Und heiß ... Tapfer marschiert der Frieder los, marschiert schneller. Der Eismann, der muss doch gleich kommen, da hinten, an der Ecke. An der Ecke ist bloß Ecke, Häuser, Straße ... lang und still. Frieder steht und schnauft und schaut ... Schweiß kitzelt ihn am Bauch. Schweiß tropft in seine Ohren. Und niemand ist da, den er höflich fragen könnte: »Wo, bitte sehr, geht's denn hier zum Eismann, bitte schön?«
»Ich frag einfach die Oma«, beschließt der Frieder. »Ich geh zurück.« Und Frieder macht kehrt und wandert die Straße wieder rauf. Da sind da plötzlich zwei Ecken. Und vier Straßen, nach links und nach rechts, und nach oben zu und nach unten runter. Frieder dreht den Kopf, beinahe im Kreis. Wohin muss er denn jetzt gehen? Wo ist der Garten und die Oma? »Links«, sagt der Frieder und marschiert nach rechts. Rennt. Rennt immer schneller. Das Hemd klebt ihm am Bauch. Die Zunge brennt im Mund. Die Beine werden müde. Und der Garten und die Oma drin, die wollen nicht kommen.
»Falsch«, keucht der Frieder und macht kehrt. Rennt wieder zurück. Da ist es auch falsch. Sehr sogar. Alle Straßen sind falsch. Beson-ders die. Frieder macht kehrt und rennt wieder nach vorne. Rennt, wischt Schweiß und schaut und sieht, was er schon dauernd sieht: lange, stille, falsche Straßen. Straßen weit und Straßen schmal, und nirgendwo der Garten und nirgendwo die
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