Omega
einmal sah Digger einen Dieb mit einer Beute, die an eine Rinderhälfte erinnerte, davonkommen. Demnach konnte Athen durchaus so etwas wie Polizisten brauchen.
Neben dem auf Zahlungsmitteln basierenden System fand auch Tauschhandel statt.
Einige Male streifte Digger eine der Kreaturen. Derlei war nur schwer zu vermeiden. Auffallend war, dass die Goompahs nach dem Zusammenprall mit der leeren Luft überrascht in die entsprechende Richtung blickten, die Kiefer auf und ab bewegten und alle das gleiche Wort äußerten: Kay-lo. Eben das Wort, das der Goompah während des Gezänks gesagt hatte. Digger verbuchte es als Kraftausdruck oder als Entsprechung des Wortes seltsam.
Zwei Gebäude auf gegenüberliegenden Seiten einer Prachtstraße verfügten über eine erhabene Plattform inmitten ansteigender Bankreihen. Konzertsäle? Räumlichkeiten für politische Debatten? Rundtheater? Momentan waren sie verlassen.
»Die Show würde ich mir gern ansehen«, sagte er zu Kellie.
»Wir können heute Abend noch einmal herkommen und einen Blick darauf werfen«, entgegnete sie.
Es war Zeit, sich den Tempel anzusehen.
Er stand auf einer Hügelkuppe am südlichen Stadtrand und schimmerte golden im Licht des nahenden Sonnenuntergangs. Sie erklommen eine steile Straße und eine breite Holztreppe, um zu ihm vorzudringen.
Aus der Nähe war er größer, als Digger vermutet hatte, rund und glänzend, frei von Zierrat, abgesehen von einer Inschrift über dem Eingang. Dorische Säulen. Eine geflügelte Gottheit, die über die Besucher und eine ausnehmend schöne und kunstvolle Sonnenuhr wachte, als wäre sie der Hüter der Jahreszeiten.
Gehwege umgaben das Gebäude und führten hinauf zum höchsten Punkt des Hügels, von dem aus man einen wunderbaren Blick aufs Meer hatte. Goompahs in beachtlicher Zahl bevölkerten den Hügel, schlenderten über die Pfade oder spazierten zwischen den Säulen des Tempels umher. Dieses Bauwerk besaß zweifellos eine heilige Aura. Die Stimmen der Goompahs erklangen nur leise, die Köpfe waren gesenkt, die Augen in die Ferne gerichtet. In diesem Moment empfand Digger plötzlich eine gewisse Verwandtschaft mit den Goompahs.
Ein junger Goompah wurde von einem Elternteil ins Gebet genommen, weil er lärmend herumgelaufen war. Ein Paar, Mann und Frau, näherte sich Hand in Hand dem Eingang und schmiegte sich mit jedem Schritt dichter zusammen. Digger sah eine vom Alter gebeugte Gestalt, die sich bemühte, sich auf das Gras zu knien, ein an einem Scharnier hängendes Gesteinsstück zu heben (an einem Ring, der zu diesem Zweck in den Stein eingelassen worden war) und etwas darunterzulegen. Geld, dachte Digger.
Eine Opfergabe?
Augenblicke später holte ein Kind, das bei ihm war, das Opfer zurück. Oder zumindest einen Teil davon.
»Was hältst du davon?«, fragte Digger.
Kellies Hand lag auf seinem Arm. »Ich weiß es nicht. Vielleicht kaufen sie sich frei. Begrab deine Sorgen in geheiligtem Boden, und alles wird gut. Wälze sie unter den Augen der Götter ab. Und lass ein bisschen was für die Religionskassen da, vermutlich.«
Die geflügelte Gottheit war dreimal so groß wie die Goompahs und, anders als die im Park, voll bekleidet. Die Flügel waren größer, ausgreifender, erhabener. Sie – es war fraglos eine Göttin – trug eine Fackel, die sie direkt vor dem Körper hielt. Von den Flügeln abgesehen, wies sie alle physischen Charakteristika der Einheimischen auf, dennoch wäre Digger nie auf den Gedanken gekommen, sie als Goompah zu bezeichnen.
Sie stiegen die Stufen empor. Digger zählte zwölf und dachte sogleich an die zwölf Monate, die zwölf Götter des Olymp, die zwölf Apostel. Waren diese Dinge in allen intelligenten Lebewesen im Universum fest verdrahtet?
Die Säulen waren breit, besaßen etwa das Doppelte des Umfangs, den er hätte umfassen können, und das Material fühlte sich an wie Marmor.
Das Innere des Tempels bildete ein einziger runder Raum. Die Wände waren bis zur Decke etwa drei Stockwerke hoch. Eine steinerne Plattform, vermutlich ein Altar, stand in der Mitte. Weitere Statuen blickten auf sie herab. Keine von ihnen hatte Flügel, aber alle strahlten eine erhabene Majestät aus. Sie trugen die gleichen Hosen, Hemden und Sandalen wie die Einheimischen, hatten jedoch unter den Händen der Bildhauer eine göttliche Erscheinung erhalten. Eine männliche Gottheit blickte lächelnd an Digger vorbei, eine weibliche studierte ihn voller Mitgefühl, eine andere, etwas
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