Omega
hörte, wie die Fähre das Wasser berührte, sah, wie das Wasser verdrängt wurde. Es sah aus, als hätte sich eine Mulde in das Meer gegraben. »Kann ich noch nicht sagen.«
» Lebt er?«
»Ich weiß es nicht.« Sie schlang das Seil um seine Hüften, wickelte es um die Luke und sicherte es so, dass er nicht mehr unter Wasser geraten konnte. Dann kletterte sie in die Luftschleuse, blieb auf den Knien und zog ihn herein.
Sie stellte Herzschlag fest, aber er war schwach. Julie begann mit Mund-zu-Mund-Beatmung.
Für die Goompahs war dies ein überaus wechselvoller Tag. Taymas wundersame Rettung hatte sie – und es gibt kein anderes Wort dafür – begeistert. Aber dann war die Fähre aufgetaucht, ein schlankes, graues Etwas, das in der Luft schwebte, und dann auch noch die Menschen, erst Julie, dann Digger, und beide kamen scheinbar aus dem Nichts. Whit wusste, dass die menschliche Physiognomie die Einheimischen in Angst und Schrecken versetzte, aber er hoffte, sie würden ihr unter den gegebenen Umständen anders begegnen. Doch das taten sie nicht. Sie heulten und rannten oder stolperten vom Strand. Ein paar kümmerten sich um die vollends desorientiert wirkende Tayma. Am Ende hatten sie sich aber alle zurückgezogen und wahrten respektvolle Distanz.
Whit betrachtete einen Abschnitt der Luftschleuse und das Innere der Fähre, wirkungsvoll umrahmt von der Luke, die über dem Meer in der Luft hing.
»Ich habe einen Puls«, sagte Julie.
»Geht es ihm gut?«
»Scheint so. Benehmt ihr Jungs euch immer so?«
»Keine Ahnung«, sagte er. »Ich bin neu in diesem Gewerbe. Übrigens, wenn du Zeit hast, solltest du vielleicht die Luke schließen.«
Sie sah zu ihm hinaus, und das Spektakel wurde kleiner und verschwand dann vollends von der Bildfläche.
Das wiederum löste erneutes Grunzen und Deuten unter den Goompahs aus. Derweil humpelte Tayma, unterstützt von einem halben Dutzend Helfer, von dannen.
Er atmete wieder. Der Atem war flach, der Puls schwach, aber er lebte. Sie rief seinen Namen, hielt die Hände an seine Wangen und rieb sie, bis er die Augen aufschlug und sich verwirrt umblickte.
»Hi, Digger«, sagte sie.
Er versuchte zu sprechen, bekam aber nichts heraus.
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte sie.
Er murmelte etwas, das sie nicht verstehen konnte, dann richteten sich seine Augen erst auf sie und dann auf das Schott hinter ihr. »Was ist passiert?«, fragte er endlich. »Wie… hier?«
»Ich habe Sie aus dem Wasser gezogen.«
»Wasser?« Seine Hände tasteten nach seinen Kleidern.
»Wie heißen Sie?«, fragte sie sanft.
»Dunn. Mein Name ist Dunn.« Er versuchte, sich aufzusetzen, aber sie drückte ihn zurück. »Ist sie okay?«
»Tayma? Der geht es gut. Sie haben sie gerettet.«
»Gut. Danke, Kellie.«
»Kellie? Wissen Sie, wer ich bin?«
»Kellie«, sagte er.
»Nein. Kellie ist auf der Hawksbill. Versuchen Sie es noch einmal.«
ARCHIV
(Aus den Goompah-Aufzeichnungen von Savakol, übersetzt von Ginko Amagawa)
Ich bin kein geübter Redner, und ich fühle mich hier oben nicht wohl. Wenn ihr wissen wollt, was heute am Barkat- Strandpassiert ist, werde ich euch sagen, was ich gesehen habe, oder was ich zu sehen geglaubt habe. Und ich werde es euch überlassen, Erklärungen zu finden und Schlüsse zu ziehen.
Ich ging hin, weil ich gehört hatte, die Keelots würden hingehen und dort ein Kelma durchführen. Quet ist mit mir gegangen. Wir standen ziemlich weit vorn, nah am Wasser.
Die Zeremonie verlief zunächst ohne Zwischenfälle, und Tayma ging hinaus ins Meer. Unterwegs hat sie gebetet, und sie war gerade zehn oder fünfzehn Schritte weit gekommen, als irgendetwas anfing, sie zu verfolgen. Ich weiß nicht, was es war. Etwas im Wasser, das wir nicht sehen konnten.
Sie hat gar nichts davon gemerkt und ist weitergegangen. Wir haben ihr zugerufen, sie solle aufpassen, aber vermutlich hat sie gedacht, wir wollten sie zur Umkehr überreden.
Wir konnten sehen, dass es sie erwischen würde, und wir schrien alle noch lauter. Ein paar sind auch weggelaufen. Was dann passiert ist, ist schwer zu beschreiben. Aber es gab einen großen Kampf, und dann hat sich ein Fenster im Himmel geöffnet…
Kapitel 38
Auf der Oberfläche
in der Nähe von Hopgop
Freitag, 5. Dezember
Marge und Julie landeten neben dem Regenmacher, den sie in der vorangegangenen Nacht heruntergebracht hatten.
Sie hatten auf dem Rückweg bereits den Anflug geprobt, und so fiel es ihnen nicht schwer,
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