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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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berieten, ob er sterben oder lediglich ein Bußgeld zahlen sollte, weil er bei einer Jukebox-Abzocke insgeheim Geld eingesteckt hatte. (Sie entschieden sich für das Bußgeld.)
    1961 wurde John F. Kennedy Präsident und sein Bruder Bobby Justizminister – im Wesentlichen der führende Rechtsberater der Regierung und der oberste Polizeibeamte. Die Bekämpfung des organisierten Verbrechens war ein Kernpunkt seines Programms. Während es 1960 19  Anklagen gegen organisierte Kriminelle gegeben hatte, waren es 1964 schon 687 .
    Parallel zu diesen Entwicklungen in Polizeiwesen und Politik wurde die Mafia zu einem heißen Thema in der amerikanischen Kultur. 1959 begann ABC mit der Übertragung einer Serie, die auf Eliot Ness’ Thriller
The Untouchables
(
Die Unantastbaren
, 1967 ) basierte und von Al Capone und den Jahren der Prohibition in Chicago handelte. Die Serie wurde zum Knüller, vor allem weil sie gespickt war mit kaum versteckten Hinweisen auf aktuelle Nachrichten aus der Gangsterwelt.
    Wie immer gab es in der öffentlichen Debatte eine Menge Streit und Sensationsgier. Dem Orden der Söhne Italiens in Amerika (
Order Sons of Italy in America
), einer ethnischen Lobby, die verzweifelt versuchte, das Thema Mafia herunterzuspielen, gelang es 1961 , alle italo-amerikanischen Charaktere aus den
Unantastbaren
entfernen zu lassen. Ohne dieses Schlüsselelement der Authentizität verlor die Serie an Popularität und wurde 1963 aus dem Programm genommen.
    Das entgegengesetzte Extrem war es, die Mafia in den Medien als ein zentralistisches, bürokratisches, berechnendes Ungeheuer hinzustellen – eine Art IBM des Verbrechens. Seit damals gilt als guter Journalist, sowohl in Italien als auch in den Staaten, wer die Mafia als Kehrseite des Turbokapitalismus betrachtet und Mafiosi schlicht als Geschäftsleute mit Knarren. In dieser extremen Vereinfachung liegt unbestritten ein gewisser Reiz, sowohl für Gesetzestreue als auch für Gesetzesbrecher. Nur so ist der tückische Glamour zu begreifen, der den
Paten
– Roman und Film – auszeichnet: »Sag Mike, es war nur geschäftlich.« Nichts war besser geeignet, um mittelmäßigen Amerikanern mittleren Alters aus der mittleren Führungsebene zu suggerieren, sie seien gefährlich und gerissen, als die Vorstellung, sie hätten eine gewisse Ähnlichkeit mit den Mafiosi – abgesehen freilich von ein paar Erdrosselungen. Umgekehrt konnte wohl nichts dem Ego eines Ganoven mehr schmeicheln und seine jungen Anhänger mehr beeindrucken als die Suggestion, er verkörpere den aalglatten, gesetzlosen Idealtypus eines Geschäftsmannes. Wenn Mafiosi Unternehmer sind, dann sind sie Unternehmer, die sich nicht auf den Wettbewerb spezialisiert haben, sondern auf das Brechen und Beugen der Regeln des Marktes.
    Das intensive Interesse der Politik und der Medien an der Mafia zu Beginn der sechziger Jahre hatte zudem einen seltsamen Nebeneffekt: Es veränderte den Namen der Mafia. 1962 hatte Joe Valachi, ein Soldat des Genovese-Clans, fälschlicherweise den Verdacht, dass er auf Befehl seines Bosses getötet werden sollte, und erschlug im Gefängnis einen unschuldigen Mann. Daraufhin fasste er den Entschluss, dem FBI von der Mafia zu erzählen, von ihren Initiationsritualen und ihrer Struktur, wie er sie von seiner relativ marginalen Position aus sah. Valachi, der kein Italienisch sprach, hatte gehört, wie andere Mitglieder der Bruderschaft von Cosa Nostra – »unserer Sache« – redeten. Valachi hielt diesen vagen Begriff für den offiziellen Namen der Mafia:
Cosa Nostra
beziehungsweise
la Cosa Nostra
. Das FBI übernahm den Begriff. Und sobald Valachis Aussage 1963 an die Öffentlichkeit kam, sprachen auch die amerikanischen Mafiosi selbst von Cosa Nostra. Erst 1984 würde die Welt erfahren, dass selbst die sizilianische Mafia den Namen übernommen hatte.
    Das Auftauchen des Namens Cosa Nostra ist nur das jüngste Beispiel für die Art und Weise, wie die Mafias ihre Sprache von der Außenwelt lernten. So tauchte das Wort ’Ndrangheta erst 1955 in den kalabrischen Zeitungen auf, während der »Invasion der Marsianer«. Meines Wissens gibt es vor diesem Zeitpunkt weder Zeugenaussagen noch Prozessakten oder Zeitungsartikel, in denen der Name ’Ndrangheta auf die kalabrische Mafia Anwendung gefunden hätte.
    Etwas Ähnliches war ein Jahrhundert zuvor mit dem Begriff »Mafia« geschehen. Er wurde nur deshalb der gebräuchlichste unter den vielen Namen für Siziliens kriminelle Vereinigung,

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