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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Falcone im Jahre 1984 hatte Tommaso Buscetta, »Boss zweier Welten«, dem Richter folgenden Hinweis gegeben:
    »Ich warne Sie. Nach diesem Verhör sind Sie eine Berühmtheit. Aber man wird versuchen, Sie körperlich und beruflich zu vernichten. Dasselbe wird man mit mir machen. Vergessen Sie nie, dass die Cosa Nostra Sie auf der Abschussliste hat, und zwar solange Sie leben.«
    Buscettas Prophezeiung begann sich in den Monaten und Jahren nach dem Mammutprozess 1987 zu bewahrheiten. Womit Falcone sich konfrontiert sah, war nicht nur die erneute körperliche Bedrohung. (Wie sich später herausstellen würde, erreichten die Pläne der Cosa Nostra, ihn zu töten, zwischen 1983 und 1986 schon mehrfach ein fortgeschrittenes Stadium; Totò Riina hatte sogar Bazookas testen lassen.) Ebenso wenig waren es nur die altbewährten Methoden der sizilianischen Mafia, nämlich Spitzelei, Intrigen und Fehlinformation. Zu alledem stieß Falcone im Herzen des Rechtssystems auf Widerstand. Das Ergebnis war eine ebenso demütigende wie erschreckende Nervenprobe.
    Heute gilt Giovanni Falcone als nationale Ikone. Jedes Land hätte sich glücklich schätzen können, einen wie ihn zu haben. Doch die kühle Heldenverehrung, die ihm jetzt zuteilwird, und die hohle Anerkennung, die ihm selbst zwielichtigste Politiker zollen, weckt bei all denen, die ihm in seiner dunkelsten Zeit zur Seite standen, noch immer bitteren Groll. Sie sind zu Recht der Überzeugung, dass sowohl Falcone als auch Borsellino im Tode so umstritten bleiben sollten, wie sie es zu Lebzeiten waren. Denn solange Italiens Mafias noch existieren und solange ein heimliches Einverständnis herrscht zwischen den Institutionen und den Mafias, sollten Falcone und Borsellino ihre spaltende Sprengkraft bewahren.
    Ende der 1980 er Jahre wurde besonders Falcone in eine Reihe nervtötender institutioneller Reibereien gezogen, die einen Schwächeren zermürbt hätten. Das Antimafia-Team und der Mammutprozess beleidigten unter Juristen ein paar tiefverwurzelte konservative Instinkte. Das Pool-System kratzte am liebgewonnenen Image vom Richter als einsamem Kämpfer, der nur seinem Gewissen und dem Gesetz Rechenschaft schuldet. Ein Teil des Widerstands gegen Falcone war demnach wohlgemeint: Das Richteramt selbst stand auf dem Spiel. Doch hätte Falcone es nur mit dem Konservativismus seiner Amtskollegen zu tun gehabt, hätte er nicht so viel Widerwärtigkeit ertragen müssen. Niederträchtigere Kräfte taten sich zusammen und ergaben einen feindseligen Morast: beruflicher Neid; Revierkonflikte zwischen verschiedenen Lagern; Paragraphenreiterei und die eingefleischte Angst vor Talent in allen italienischen Institutionen. Alles in allem traf Falcones Feinde zumindest die Schuld, die Gefahr, die nach dem Urteilsspruch auf den Richter und seine Arbeit lauerte, gänzlich verkannt zu haben. Sie verstanden noch immer nicht, welche Bedrohung die Cosa Nostra darstellte und wie niederträchtig ihre Bemühungen waren, Falcone zu isolieren und alles zu demontieren, was zu einem solch erschreckend hohen Blutzoll erreicht worden war. Auch sahen Falcones Feinde nicht, wie verletzlich er aufgrund der »fatalen Kombination« war, von der General Carlo Alberto Dalla Chiesa vor seiner Ermordung 1982 gesprochen hatte: Der Richter, der für die Cosa Nostra die größte Gefahr darstellte, wäre durch jeden Hinweis, dass er ungeschützt unterwegs war, einem Angriff gnadenlos ausgeliefert.
    Viele Feinde Falcones und Borsellinos richteten sich nach Siziliens berühmtestem Schriftsteller. Am 10 . Januar 1987 , während der Mammutprozess noch im Gange war, veröffentlichte Leonardo Sciascia eine Buchrezension im konservativen
Corriere della Sera
. Der fragliche Band war die Studie eines jungen britischen Historikers namens Christopher Duggan über den Faschismus und die sizilianische Mafia, die eine höchst strittige These enthielt: Es gab keine Mafia, Mussolini hatte die Berichte über einen kriminellen Geheimbund aufgebläht, um seinen politischen Feinden auf der Insel eins auszuwischen. Noch weitaus strittiger war der Vergleich mit der Gegenwart, den Sciascia zog: Die Antimafia-Bewegung sei erneut zum »Machtinstrument« geworden, behauptete er. Der Schriftsteller nannte zwei Beispiele. Das eine war Bürgermeister Orlando in Palermo, der, so Sciascia, so viel Zeit damit verbringe, als Galionsfigur der Antimafia zu posieren, dass er die grundlegendsten Verwaltungspflichten vernachlässige. Kein Mensch wage es, ihm

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