Omka: Roman (German Edition)
schlug hart gegen die Windschutzscheibe, der Fensterladen fiel ihr ein, das Kind in ihrem Bauch trat, am Himmel sah sie sechs verschiedene Blautöne. Eine einzelne Wolke reichte fast vom Boden bis zum Himmel, es sah aus, als hätte man verschlissene Seide auseinandergezogen, am Horizont zeigte sich der Regen als mächtige, dunkelblaue Säule, und bevor es begann zu regnen, hörte man ein Geräusch, als würde man ein altes Leintuch schnell auseinanderreißen.
Als das Kind zur Welt kam, war es gesund und kräftig. Es war eine schwere Geburt, weil es das erste Kind war. Omka hatte sich eine natürliche Entbindung gewünscht und wollte auch keine Schmerzmittel bekommen. Es dauerte lange. Josef war die meiste Zeit bei ihr gewesen. Nur einmal hatte die Hebamme zu ihm gesagt: »Herr Grentshäuser, gehen Sie einen Kaffee trinken und etwas essen, später kommen Sie dann schwerer weg.«
Omka hatte ihm zugenickt, und die Hebamme sagte noch: »Ich bin ja da, Herr Grentshäuser, wenn irgendetwas ist, rufe ich in der Cafeteria an.«
Josef ging. Er lief den Gang entlang, und seine Erinnerung holte ihn ein, obwohl sie in einem anderen Krankenhaus waren als damals. Er bestellte, aß und trank mechanisch. Was das wohl für ein Kind werden würde? Über den Dächern draußen flog krächzend ein Schwarm Krähen dahin.
Als das Kind schließlich nach mehr als vierundzwanzig Stunden zur Welt kam, war Omka fast am Ende ihrer Kräfte. Sie war schweißgebadet, ihr Haar klebte an ihrem Kopf, in ihren Augen waren einige kleine Äderchen geplatzt, und sie zitterte. Josef hatte die Nabelschnur durchgeschnitten, und man legte es Omka auf den Bauch.
»Ein gesunder Sohn«, sagte der Arzt. »Gratuliere.«
Josef war außer sich vor Freude. Omka drückte das Kind an sich. Sie sah es an, das kleine, zerdrückte, rote Gesichtchen, den dunklen Flaum auf dem Kopf, die zugekniffenen Augen und das kleine offene Mündchen.
»Das ist es«, sagte sie und begann, haltlos zu weinen. Aber das Gefühl des Mangels war kurzzeitig verflogen wie Bettfedern, in die der Frühlingswind geblasen hatte.
Omka hatte keine Angst mehr. Das grelle Neonlicht machte ihr in diesem Moment nichts aus, der Geruch nach Desinfektionsmittel und die weißen Kittel der Ärzte, das alles versank in einem Blau wie das von dem Sturm. Sie sah dem Kind in die Augen. Vor der Geburt hatte sie viele Bücher und Zeitschriften gelesen, in denen stand, wie sehr man sich als Mutter nach der Geburt von Liebe durchflutet fühle, wie eins man mit dem Universum war, wie versöhnt mit allem, aber das alles wurde bei ihr überflügelt von Erleichterung, und sie fühlte sich mächtig. Sie hielt Josef das Kind hin. »Unser Sohn«, sagte sie und dachte, sie habe auf einmal Platz auf der Welt. Josef nahm das Kind auf den Arm und wiegte es, es schrie wie eine Katze.
Omka weinte.
Sie gingen noch am selben Tag nach Hause. Von dieser Zeit an sagte Omka, sie sei glücklich.
Kapitel VIII Jonas
Omka hatte Josef das Kind gegeben, und er trug es behutsam über die Schwelle ins Haus, wo ihm plötzlich alles grau und schmutzig vorkam, wenn er das warme, schwere Bündel in seinen Armen ansah, wo nur das kleine Gesichtchen seines Sohnes herausguckte. Omka war zwar geschwächt und etwas wackelig auf den Beinen, aber etwas, was es vorher noch nicht gegeben hatte, umgab sie wie ein unsichtbarer Mantel. Auf dem Weg nach Hause merkte man an den Nebelschwaden, die aus den Flüssen aufstiegen, dass die Luft sich durch den Sturm abgekühlt hatte, und es blieb kühl.
Omka blieb zu Hause bei dem Kind, und Josef ging zur Arbeit. Er kam abends heim, sie war immer zuhause. Wenn sie nicht Wäsche wusch, das Haus aufräumte oder kochte, wiegte sie das Kind in ihren Armen und saß im großen Sessel im Wohnzimmer, wo sie dann sehr zufrieden aussah. Sie hatten lange über einen Namen nachgedacht, und schlussendlich hatten sie sich entschieden, dass ihr Sohn Jonas heißen sollte.
Wenn das Kind schlief, saß Omka hinter Josefs Rechner. Ein blaues Licht strahlte über ihr Gesicht. Sie sah beschäftigt aus und nicht unzufrieden.
Es war inzwischen Spätsommer. Jonas war ein ruhiges Kind. Er schrie selten, schlief lange und machte seinen Eltern wenig Sorgen. Wenn Josef ihn ansah, bemerkte er seine Züge an dem Kind, das Muttermal von Omka war an seinem Hals, aber er hatte seine hohen Schläfenknochen und seine Lippen. Omka hatte dem Kind den Nachnamen von Josef geben lassen, also hieß es Jonas
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