Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
Augen schienen abwesend.
»Nein«, flüsterte ich leise vor mich hin und schüttelte meinen Kopf. Sie durften nicht sterben. Nicht jetzt, nicht so. Ich kniete mich neben Elias und sah ihr tief in die Augen.
»Du musst doch meine Mutter in der Ewigkeit ersetzen!«, schrie ich wütend. Ihre Augen glitzerten und sie schaffte es, mich für einen Moment zu fokussieren. Ihr Mund öffnete sich und etwas Blut lief an der Seite heraus. Alles um uns herum wurde still. Ein Vogel zwitscherte in den Bäumen fröhlich sein Lied, als wäre nicht passiert. In der Ferne hörte ich eine Frau lachen und ein Kind schreien.
»Liebe ihn«, flüsterte Emilia mit letzter Kraft und sah zu ihrem Sohn, welcher sofort ihre Hand ergriff. »E…«
Emilia verstarb am fünften April gegen elf Uhr vormittags. Ausgerechnet eine Unsterbliche sollte das erste Wesen sein, welches ich durch den Tod verlor. Ich hatte immer gedacht, dass man irgendwie auf so etwas vorbereitet wird. Dass man vielleicht eine Vorahnung hat, versteht ihr, was ich meine? So etwas passierte doch nicht so schnell und aus heiterem Himmel. Und nicht ohne jede Warnung … oder etwa doch?
Die Zwillinge saßen schwarz gekleidet auf unserem Sofa. Elias hatte einen Strickpullover und Jeans an, während Ana ein schickes Etuikleid trug. Hand in Hand hockten sie da und starrten den ausgeschalteten Fernseher an. Die einzige Farbe an ihnen, waren die Tränen auf ihren blassen Wangen. Ich saß im Sessel und schüttelte immer wieder meinen Kopf. Das konnte alles nur ein böser Traum sein. Ich wusste beim besten Willen nicht was ich sagen oder tun sollte, also fasste ich mir an meinen Bauch, ignorierte die Gänsehaut an meinem ganzen Körper und versuchte in mich hineinzuhorchen. Eines wurde mir ganz plötzlich bewusst. Calimero würde bald zur Welt kommen und niemand würde sich mehr darüber freuen können. Emilia hatte sich für ihn und mich geopfert. Ihr Tod überschattete alles. Wieder stiegen mir Tatsache in die Augen. Ich sah zu Elias, doch er starrte weiter ins Leere. Ich musste hier raus. Schwerfällig hievte ich mich und meinen dicken Bauch aus dem Sessel und ging ins Schlafzimmer. Niemand folgte mir, also setzte ich mich alleine und frierend auf das Bett. Herrje, wieso war ich wütend und warum? Was stimmte mit mir nicht? Mein Mann hatte gerade seine Mutter verloren und wenn kein Wunder geschah, dann würde ihr sein Vater bald folgen. Ich schluchzte beim Gedanken an Roman laut auf. Merkutio und seine Eltern waren bei ihm. Traian und Eva waren in dem Glauben hierhergekommen, die Geburt ihres Urenkels zu feiern. Sie hatten sicher nicht erwartet, ihren Sohn zu Grabe tragen zu müssen und ich würde mein Baby ganz alleine zur Welt bringen müssen. Keiner außer mir würde sich über sein Ankommen freuen. Nicht mal sein eigener Vater war im Moment in der Lage, sich zu freuen.
Lieber Gott im Himmel, ich war ein furchtbar schlechter Mensch! Ich war wütend auf Elias, ohne dass er etwas getan hatte. Mein Herz pochte kräftig gegen meinen Brustkorb und mein ganzer Körper schien in Alarmbereitschaft. War ich wirklich so eine miese Ehefrau? Mein Mann betrauerte den Tod seiner Mutter und ich war wütend, weil ich glaubte, dass er sich nicht über unser Baby freuen würde. Aber was sollte ich tun? Ich fühlte nun mal so. Wild entschlossen dieses Gefühl zu ersticken und mich irgendwie nützlich zu machen, stand ich auf und ging wieder ins Wohnzimmer, doch die Zwillinge waren verschwunden. Ich griff zum Telefon und wählte Aishas Nummer. Eva war mit Sicherheit auf der Arbeit.
»Du kannst Gedanken lesen«, meldete sich meine beste Freundin, »ich habe gerade mal wieder deine Collage betrachtet und an dich gedacht.« Sie hatte die Nachrichten also noch nicht gesehen, sonst hätte sie wohl kaum so fröhlich geklungen. »Was gibt’s Miriam?«
»Elias‘ Mutter ist tot«, weinte ich in den Hörer.
»Was?«, hauchte Aisha gerade so laut, dass ich es noch hören konnte.
»Man hat auf mich geschossen und sie hat sich vor mich geworfen.«
»Oh Miriam, nein.« Aishas Stimme klang vollkommen leer.
»Ich bin ein furchtbarer Mensch.« Die Tränen liefen mir in Sturzbächen über die Wange und ich konnte kaum sprechen.
»Nein, du kannst doch nichts dafür!«
»Ich bin sauer auf Elias, weil ich mich so alleine fühle.«
Stille.
»Siehst du, ich bin ein grausamer Mensch!«
»Nein, das bist du nicht. Du bist nur durcheinander.«
Ich konnte nicht mehr reden und legte einfach auf. Hilflos sah ich
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