On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
doch so ein Haus mit zwei kleinen Kuppeln auf dem Dach. Da hat der doch tatsächlich gesagt, das wäre das Dolly-Buster-Haus.«
Ich musste lachen.
»So was Beknacktes«, sagte Anna.
»Tschuldigung«, sagte ich. »Aber willst du mir damit sagen, dass ich Gefahr laufe, auch solche Witzchen zu reißen?«
»Na ja, ich kenn dich ja schon ein bisschen.« Sie lächelte. »Eben hast du ja auch gelacht.«
»Die haben mir extra eingebläut, dass ich keine Witze reißen soll. Und auch nicht den Spitznamen von jedem Gebäude nennen.«
»Und meinst du, du schaffst das?«, fragte sie und grinste mich an, wie man einen Fünfzehnjährigen angrinst, der behauptet, jeden in der Kneipe unter den Tisch trinken zu können.
»Anna!«
»Was denn? Wie kommst du eigentlich auf diesen Job? Willst du in die Tourismusbranche?«
»Hmpff … och … Branche? Ich will nur ein bisschen arbeiten und dafür ein bisschen Geld bekommen.«
»Und sonst?«
»Wie und sonst? Sonst Biergarten. Oder Park.«
»Hm … Aber du hast doch mal Geschichte studiert. Willst du nicht irgendwas in die Richtung machen?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Was sollte das denn sein?«
Anna zuckte mit den Schultern.
»Was ist denn ein typischer Beruf für Historiker?«, fragte sie.
»Taxifahrer.«
»Haha«, machte Anna ernst.
»Nein, wirklich«, sagte ich. »Glaubst du, die werden alle Museumsdirektoren? So viele Museen gibt es gar nicht. Oder sie müssen sich als Familienforscher selbständig machen. Da sitzen sie dann im Archiv und wälzen Taufregister, nur weil irgendein Herr Zilinsky wissen will, ob seine Familie schon immer in Bottrop ansässig war oder vielleicht doch aus Polen eingewandert ist.«
»Na ja«, sagte sie. »Stadtführer ist ja auch ein bisschen was mit Geschichte, oder? Da musst du ja auch historische Kenntnisse haben.«
»Da bin ich natürlich be-hestens qualifiziert. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es ja wohl der Umgang mit der Darstellung historischer Ereignisse.«
»Toll!«, sagte sie. »Aber ansonsten: super. Ich kann dich mir gut als Stadtführer vorstellen.«
»Meinst du?«
»Ja klar. Du musst dich nur an das oberste Gebot beim Kundenkontakt halten: Wenn du ›Arschloch‹ denkst, trotzdem lächeln.«
»Wenn du mich anlächelst, denkst du dann auch ›Arschloch‹?«
»Nur wenn du als Kunde kommst.«
»Ach, danke!«
»Und du kannst ja deine Ansagen mal an mir ausprobieren. Würde mich auch interessieren. Ich kenne ja auch kaum was außer Brandenburger Tor und Alex.«
In Berlin war Anna seit einem guten Jahr, ursprünglich der Liebe wegen: Ihr damaliger Freund hatte hier gewohnt, sie war ihm hinterhergezogen, und nach ein paar Monaten des Zusammenlebens hatte die Sache ein Ende gefunden. Ein recht häufiger Fall. Bei meinen WG -Castings tauchte jedes Mal mindestens eine Frau auf, die die Frage nach dem Grund ihres Umzugs nur zögerlich beantwortete: »Na ja … also … Eigentlich wollte ich nach Berlin, weil mein, äh, Exfreund …« Meistens schwankten sie dabei zwischen versteckter Enttäuschung über das Scheitern eines neuen Lebensabschnitts und der Vorfreude auf die Freiheiten des Singledaseins.
Nach einer ersten Verarbeitungsphase genoss auch Anna diese Freiheiten wieder. Sie schaffte es, viel zu arbeiten und trotzdem Spaß an Clubs, Bier und Männern zu haben, und war von einer guten Laune, für die andere Leute tagelang in der Strandbar liegen und Mojito schlürfen mussten. Eine Eigenschaft, die mir gefiel.
»Ich hab ja gedacht, du würdest eher Lehrer werden«, sagte sie.
»Ach du liebe Zeit! Alles, nur das nicht.«
»Nicht? Ich dachte, das wäre dein Ding.«
»Wie kommst du denn darauf? Hab ich das mal gesagt?«
»Nee, gesagt nicht.«
»Aber du hast es dir einfach so gedacht.«
»Das würde doch zu dir passen. So ein bisschen was Lehrerhaftes hast du ja auch an dir.«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst.«
»Doch, ich finde schon.«
Manchmal hatte sie aber eine wirklich seltsame Wahrnehmung.
Klaus
E s gab zwei Anlegestellen für die einstündige Citytour: eine am Palast der Republik, oder besser gesagt an seinen Resten, denn er wurde gerade abgerissen, und eine an der Friedrichstraße, auf der Südostseite der Weidendammer Brücke. Jede Anlegestelle wurde von zwei Schiffen bedient: Wenn eines ablegte, kam das andere gerade angefahren, sodass die Anlegestelle nie leer war.
Am Palast legten die alten Schiffe aus DDR -Zeiten an. Sie hatten ein offenes Oberdeck, auf dem Plastikstühle für
Weitere Kostenlose Bücher