On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

scheint von der Magie des Ortes derart beeinflusst zu sein, dass er deutschtümelnde Pizza verkauft: Pizza Rotkohl (»mit le ckerem Rotkohl und knuspriger Ente«), Pizza Grünkohl (»mit würzigem Grünkohl und herzhafter Knacker«) und Pizza Sauerkraut (»mit herzhaftem Sauerkraut und echter Thüringer Rostbratwurst«).

Klaus II
    K laus und ich lehnten am Geländer an der Anlegestelle Friedrichstraße.
    »Kiek se dir an, die Vögel«, brummte Klaus mehr für sich als für andere.
    »Hä?«, sagte ich.
    »Kommen hier angeschlurft, haben von nix ne Ahnung und wollen durch die Gegend geschippert werden. Ach, ist das schön. Och, ist das groß. Oh, ist das kaputt gewesen.«
    Anscheinend steckte Klaus gerade in einer beruflichen Sinnkrise.
    »Meinst du die Touristen?«, fragte ich.
    »Nee, ich mein die Nutten von der Oranienburger. Natürlich mein ich die Touristen.«
    »Was ist mit denen?«
    »Die gehen mir auf die Nerven. Für die ist Berlin nur was zum Ankieken. Schmeißen mit ihrem Geld um sich, weil ja alles so billig ist hier, und kippen sich schon um elf zwei Bier rein, weil sie ja nicht arbeiten müssen.«
    »Und was stört dich daran?«
    »Die wissen gar nicht, wie das hier wirklich ist.«
    »Natürlich nicht. Das sind Touristen. Die kommen hierher, gerade weil sie nicht wissen, wie es hier ist. Das wollen sie doch erfahren.«
    »Bringt doch nüscht.«
    »Wieso?«
    »Das kann niemand verstehen, der nicht von hier ist. Und das Schlimme ist, dass sie das, was du ihnen erzählst, für wahr halten.«
    Jetzt war ich etwas indigniert.
    »Aber es ist ja auch wahr.«
    »Ach was, Quatsch ist das.«
    »Bitte? Ich lüg denen doch nichts vor. Vielleicht vertu ich mich mal in einer Jahreszahl, aber was ich denen erzähle, sind doch alles historische Fakten.«
    »Alles historische Fakten?«, wiederholte Klaus. »Ja. Nee. Da gibts aber noch mehr als immer nur ›Hier hat der Führer immer Mittag gegessen‹ und ›Da drüben hat Goethe mal an einen Baum gepisst‹.«
    »Goethe war nie in Berlin. Und wenn, dann nur ganz kurz.«
    »Na, für einmal an den Baum pissen wirds ja wohl gereicht haben.«
    »Ich glaube nicht, dass Goethe in Berlin jemals an einen Baum gepisst hat.«
    »Wieso? Macht doch jeder. Is doch normal.«
    »Ja, aber wenn Goethe das getan hätte, dann wäre da heute bestimmt eine Gedenktafel.«
    »Stimmt ooch wieder.«
    »Du willst also die Touristen alle im Plattenbau in Hohenschönhausen wohnen lassen, damit die dann ganz genau wissen, wie das wahre Leben hier ist, oder wie versteh ich dich?«
    »Um Gottes willen, bloß nicht. Wir haben schon genug Zettis hier. Die sollen ganz wegbleiben. Wenn man keine Ahnung hat, soll man wegbleiben. Wie fändstn du dit, wenn in deine Stadt überall Leute rumlaufen würden, die da nich hingehören?«
    »Ich habe mit den Touristen hier kein Problem. Das ist doch normal, dass es in einer Stadt wie Berlin Touristen gibt.«
    »Ick meine nich in Berlin, ick meine in deiner Stadt. Dings … Wo kommste nochma her? Irgendwas in Bayern, wa?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Frankfurt am Main.«
    »Is doch Bayern.«
    »Nee, is Hessen.«
    »Na, is doch dit Gleiche. Westen halt. Und wie fändste das, wenn da lauter Leute rumlaufen würden, die nich von da sind.«
    »Wie soll ich das finden? Das war immer normal. Man ist in der Innenstadt immer über Busladungen von Japanern gestolpert, meistens vorm Goethehaus. Die wussten zwar auch nicht, wer Goethe war, aber warum sollen sie nicht da rumstehen dürfen? Ich kenne das nicht anders.«
    »Ich schon. Ich weiß noch, wie das früher war. Da hatten wir hier unsere Ruhe. Da war noch DDR . Da konnte sowieso niemand kommen.«
    »Dafür konnte aber auch keiner gehen.«
    »Warum denn auch? War doch alles da.«
    »Was findest du daran so schlimm, wenn sich Leute eine andere Stadt anschauen?«
    »Die stehen im Weg rum, verstopfen die U-Bahn und kosten einen Haufen Geld. Und dann reden die auch noch so komisch.«
    »Wie reden die denn?«
    »Na, so komisch halt. So wie du.«
    »Ich rede hochdeutsch.«
    »Sarickdoch.«
    »Ich glaube, die Touristen bringen eher Geld rein.«
    »Nix. Was für die alles gebaut wird! Glaubst du, es würde auch nur ein Berliner zum Holocaustmahnmal gehen? Was soll ich denn da? Im Betonwald rumstehen? Toll. Oder das Schloss. Ist doch nur was zum Ankieken für die Kloppis. Von dem Geld könnte man sich mal was Anständiges leisten. Die BVG endlich kostenlos machen zum Beispiel. Oder dieses potthässliche Einkaufszentrum am Alex