On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
Kilmister last night and I had too much drink and …«
»You know what your crappy little country would be without the US ? The smallest fucking little province in the Russian Empire! But you haven’t changed. This is still a fucking Nazi country.«
»I’m sorry. I was …«
»Fuck you! Fuck you, mein Fuehrer.«
Sie spuckte vor mir auf den Boden und ging langen Schrittes davon. Ich schwitzte. Alle hatten die Szene mit angesehen. Kapitän Thomas, der namenlose Bootsmann, die Bedienung, die Kartenverkäuferin, deren Namen ich nicht kannte, Kollege Matze und zehn Touristen, die aufs Schiff wollten.
»Wat war denn mit die Olle los?«
»Keine Ahnung. Die war wegen irgendwas sauer.«
»Haste die beleidigt oder was? Haste irgendwie Sieg Heil gesagt oder so?«
»Ich sag doch nicht Sieg Heil.«
»Ja, eben.«
»Ja.«
Ich verabschiedete mich.
»Mensch, gut, dass du gehst«, sagte der namenlose Bootsmann.
Ich fuhr nach Hause und legte mich wieder ins Bett. Ich hatte erst mal vier Tage Pause. Die brauchte ich dringend.
Offensichtlich war ich nicht Lemmy Kilmister. Ich war nicht einmal Keith Richards. Ich würde auch in diesem Leben nicht mehr Lemmy Kilmister werden. Der Mittelschichts-Tilman spielt zwar gerne ein bisschen Rock ’n’ Roll mit Alkohol, weichen Drogen und Leihjacketts. Aber am nächsten Tag geht er schön pünktlich zur Arbeit. Und dann meldet er sich krank.
Aber: Ich war auch nicht Roger Whittaker, und das musste ich auch gar nicht sein. Karl erlaubte sich auch noch mit Mitte vierzig, Spaß an Autos, Frauen, Bier und Rumhängen zu haben. Er war nie Chief Manager of Sonstwassing gewesen und war trotzdem nicht im Gefängnis. Eigentlich hatten wir das doch mal anders gelernt in unseren Vorstadthäusern: Wer seine Hausaufgaben nicht macht, bleibt sitzen. Wer sitzenbleibt, kriegt kein Abitur, sondern nur Arbeit auf dem Bau. Dann kommen Alkoholismus, Arbeitslosigkeit und viele zu Schrott gefahrene Autos. Guck dir den Sohn von Wolffs an, bei dem war es so. Das war genauso unumstößlich wie der Abstieg jedes Drogenkonsumenten. Einmal am Joint gezogen und zack: Crack, Heroin, AIDS und auf dem Bahnhofsklo gefunden werden. Wer aber seine Hausaufgaben machte, konnte später in den Urlaub nach Italien fahren. Hier Hölle, da Paradies. Wir Kinder vom Bahnhof Bullerbü.
Roland und die ganze »Fürn Lebenslauf«-Bagage hatte alles richtig gemacht. Herzlichen Glückwunsch, klebt euch ein Bienchen ans Revers! Und nehmt euch eine extra Unterhose mit! Ich kann zwar nicht ganz nackt gehen, weil ich nicht Lemmy Kilmister bin, aber wenn ich nass werde, hänge ich meine Klamotten eben zum Trocknen auf und lege mich daneben in die Sonne. Das wird schon gehen. Das haben schon ganz andere geschafft.
Wir kämpfen dagegen an
Z ufällig traf ich Maite in der U-Bahn, eine Bekannte aus Unizeiten. »Bekannte« ist ein ganz furchtbares Wort. Es bedeutet, dass man jemanden kennt, also auf der Straße erkennen und mit Namen ansprechen könnte, aber mehr auch nicht. ******* Als Kind hatte man keine Bekannten, sondern Freunde, mindestens aber Klassenkameraden. Eine Bekanntschaft ist uninteressiert, oberflächlich und überflüssig. Alles Kategorien, die es für Kinder nicht gibt.
Die Unibekanntschaften ließen sich in vier Arten einteilen. Am unteren Ende der Skala lag die Nullbekanntschaft: Ich weiß, wie du heißt, du weißt, wie ich heiße, wir wissen, woher wir uns kennen, aber wir ignorieren einander trotzdem. Ist auch nicht weiter schlimm.
Auf der zweiten Stufe folgte die sogenannte Nickbeziehung: Man war bekannt, hatte einander aber nichts zu sagen und nickte dem anderen deshalb nur im Vorbeigehen zu. Ich hab dich gesehen, du mich auch, danke. Zum Stehenbleiben und Reden reichte es dann eben doch nicht.
Die dritte Stufe war die Smalltalkbekanntschaft: Man sagte »Tach, wie geht’s?« und redete etwas über dieses oder jenes Universitätsthema. Du warst doch auch in dem Seminar da. Haste da einen Schein gemacht? Ich wusste auch nicht genau, was der Dozent da wollte. Das Thema war aber auch so gar nicht meins.
Die vierte Stufe war schon fast eine Vorstufe zur Freundschaft. Hier konnte man es sich erlauben, mit seiner Meinung herauszurücken, und war sich sicher, dafür nicht schepp angesehen zu werden. Man lachte über den Professor, der es geschafft hatte, in neunzig Minuten über einhundertmal an jedem Satzende »sozusagen, nicht wahr« zu sagen (man hatte mal mitgezählt). Man lästerte über diesen und jenen
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