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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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groß wie zwei Kürbisse! Die Haut um seine Knöchel war so prall und durchscheinend, als sei sie kurz vorm Aufplatzen. Er versuchte, sie zu bewegen, doch die Schmerzen hielten ihn davon ab. Wie sollte er bloß je wieder gehen können? Mit diesen monströsen Füßen war das unmöglich. Entsetzt heulte Parker auf und biss sich in seine Faust.
    Lacroix fand als erster die Beherrschung wieder. Er bückte sich und wickelte weiche Felle um die zehenlosen Stümpfe. Beide Männer dachten dasselbe.
    Die Spuren im Schnee! Sie hatten genauso ausgesehen.
    „Ich sollte meine Füße draußen ins Eis stecken, dann schwellen sie vielleicht ab.“
    „Nein, Two-Elk hat gesagt, egal was passiert, keine Kälte! Du musst unbedingt im Warmen bleiben.“
    Resigniert ließ Parker sein Kinn auf die Brust sinken. Wahrscheinlich würde er eh hier drinnen verrecken … oder er kommt zurück und holt mich !
    „So, dann sehe ich mir jetzt mal deine Wunde an.“ Vorsichtig löste Lacroix den verkrusteten Verband, und Parker machte sich auf den nächsten Aufschrei von Seiten seines Freundes gefasst, doch nichts dergleichen geschah.
    Stattdessen wusch Lacroix mit geübten Handgriffen die Wunde mit heißem Wasser aus und salbte sie ein. Parker drehte sein Kinn und wagte einen Blick. Der Biss sah gar nicht so schlimm aus. Es war nicht mehr der blutige, entzündete Krater, der vor sich hin schwärte. Seine Ränder waren mittlerweile abgeschwollen und heilten erstaunlich sauber. Auch roch die Wunde nicht mehr nach Eiter. Trotzdem, Parker gönnte sich keine Erleichterung. Er wusste, es war in ihm, und nichts auf der Welt konnte es wieder aus seinem Körper vertreiben. Er versuchte nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn es erst richtig losging.
    An Lacroix‘ düsterer Miene erkannte Parker, dass seinem Freund scheinbar Ähnliches durch den Sinn ging, und er legte ihm eine zittrige Hand auf den Arm.
    „Du wirst gehen, wenn es soweit ist, ja?“
    Lacroix blickte ihn nicht an, sondern legte ihm geschäftig einen frischen Verband an. Als er fertig war, schaute er auf und sagte: „Ich gehe nicht eher, bis du wieder gesund bist!“
    Alter unverbesserlicher Sturkopf, dachte Parker und lächelte geschwächt. Es tat ihm gut, zu wissen, dass sein Freund bei ihm bleiben würde.

    Als es Abend wurde, ging Lacroix nach draußen, sah im angrenzenden Stall nach dem Rechten und verbarrikadierte die Fenster. In der Luft lag ein Hauch von Frühling und am Himmel zogen Wolkenfetzen rasch dahin. Tagsüber hatte die Sonne den Schnee angetaut, der in der Nacht nun wieder anfrieren würde. Lacroix warf einen Blick in den Wald hinter der Hütte. Dort zwischen den Baumstämmen hatte er eine Bewegung wahrgenommen. Er kniff die Augen zusammen. Wenn er in der Stadt leben würde, hätte er sich das zugelegt, was die Leute Brille nannten, denn mit seiner Sehkraft ging es allmählich bergab. Er war alt geworden.
    Schließlich entdeckte er einen dunklen Punkt im Schnee. Lacroix griff zu seiner Pistole. Es war ein einzelner Wolf. Er stand da und sah ihn an. Weiter nichts.
    Lacroix wartete.
    Bist du ein Bote? Ein guter Geist, der uns warnen will?
    Der Wolf schien unschlüssig, doch dann wandte er sich ab und trottete davon. Lacroix entspannte sich. Ein einzelner Wolf war nicht gefährlich. Außerdem trauten sie sich nur selten an menschliche Behausungen heran. Wahrscheinlich war er nur neugierig gewesen.
    Lacroix ging zurück in die Hütte, wo Parker auf seinem Stuhl eingenickt war.
    Er verriegelte die Tür und schob vorsichtshalber noch den Tisch davor. Das sollte halten. Erschöpft von der Anspannung, die ihn begleitete, seit sie die Walcotts gefunden hatten, setzte er sich an die Feuerstelle und legte frische Scheite auf.
    Parker regte sich unter seinen Decken und murmelte vor sich hin. Er träumte.
    Lacroix betrachtete besorgt seinen Freund. Sie kannten sich seit über zwanzig Jahren. Als junge coureurs de bois , als Waldläufer, waren sie sich begegnet. Damals hatten sie im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 für die Engländer gearbeitet. Nach dem Krieg waren sie nach Westen gegangen, um sich als Fallensteller in den Wäldern zu versuchen. Dort hatte sich ihnen Two-Elk angeschlossen, der verloren umhergeirrt war auf der Suche nach seinem durch die Amerikaner in alle Himmelsrichtungen zerstreuten Volk - einer der vielen Indianer ohne Heimat und Zukunft, vertrieben aus dem Land seiner Vorväter.
    Fernab vom Lärm der Welt und den Eitelkeiten der Mächtigen hatten

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