Ondragon - Menschenhunger
sie sich gemeinsam dieses Blockhaus gebaut und von dem gelebt, was der Wald ihnen zum Leben gab. Und das war mehr als genug. Lacroix liebte dieses Leben, und um nichts in der Welt hätte er es gegen ein vermeintlich bequemeres in einer der Städte eingetauscht! Und er wusste, dass es Parker genauso ging.
Versonnen blickte Lacroix in die warmen Flammen des Feuers.
Ein Stöhnen ließ ihn aufhorchen und er sah zu Parker hinüber.
Der alte Freund blickte ihn mit glänzenden Augen an. Ein befremdlich rötlicher Schimmer lag in seinen Pupillen.
„Wie geht es dir?“, fragte Lacroix, erfreut darüber, dass sein Freund wieder wach war.
Doch Parker antwortete nicht, sondern starrte ihn unentwegt an. Lacroix konnte sich nicht helfen, aber er machte ihm Angst. Ein ungewollter Schauer lief ihm über den Nacken und er schämte sich dafür. Rasch senkte er seinen Blick.
Da ertönte draußen erneut das unheimliche Stöhnen, und mit einem Schlag fuhr Lacroix von seinem Stuhl hoch.
Seine Hände legten sich um die Griffe seiner Pistolen.
„Er … ist … zurück“, lallte Parker, als wäre seine Zunge totes Fleisch.
Lacroix nickte, verharrte aber wie zur Salzsäule erstarrt.
Er ist da draußen! Der Wendigo!
Beide Männer lauschten. Die Nerven zum Zerreißen gespannt.
Zuerst war nichts als Stille. Doch dann hörten sie dumpfe Schritte und ein Schaben an der Hauswand.
Das beinahe körperlose, heisere Seufzen setzte wieder ein.
Kalt wie Eiswasser tröpfelte es durch die Holzritzen der Blockhauswand und legte sich wie eine Zange um ihre Brust.
Lacroix schmeckte metallische Furcht auf seiner Zunge.
„Verschwinde, du gottverdammte Bestie!“, schrie er der Tür entgegen, weil er nicht wusste, was er sonst hätte tun können. Two-Elk, der vielleicht gewusst hätte, wie sie sich verhalten sollten, war nicht hier. „Es gibt hier nichts zu holen! Mach, dass du fortkommst. Geh zurück in deine Geisterwelt!“
„Er will mich! Ich weiß es“, wimmerte Parker währenddessen. „Er will mich. Miiiiich!“ Seine Stimme schwoll an zu einem schrillen Heulen. „Miiiiiiich!“ Er war vollkommen von Sinnen, ruckte mit zurückgeworfenem Kopf auf seinem Stuhl hin und her. Sein Gesicht war gerötet und mit einer glänzenden Schweißschicht bedeckt.
„Sei still, Alan! Damit lockst du ihn nur in die Hütte!“ Lacroix gab Parker eine schallende Ohrfeige. Abrupt wurde der alte Trapper ruhig und ließ sein Kinn auf die Brust sinken. Leise vor sich hin weinend bewegte er seine Lippen, als bete er.
Seigneur Dieu! , dachte Lacroix. Steh uns bei!
Dann donnerte etwas Schweres gegen die Tür.
11. Kapitel
2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge
„Eine Leiche?“, sagten Ondragon und Dr. Arthur gleichzeitig.
„Ja, am See.“ Sheila klang immer noch, als hätte sie die Leiche gefunden und nicht Pete.
„Und wer ist es?“, fragte Dr. Arthur beunruhigt.
„Das weiß ich nicht, aber es kann bestimmt keiner aus der CC Lodge sein. Pete sagt, dafür ist die Leiche zu alt, und außerdem ist uns ja in letzter Zeit kein Patient abhanden gekommen.“
Dr. Arthur blickte Sheila tadelnd an, die wiederum einen kurzen Blick zu Ondragon hinüber warf.
„Oh, entschuldigen Sie bitte.“ Verlegen knetete sie ihre Hände. „Und, ähm, die Polizei ist auch schon unterwegs.“
„Die Polizei?“ Die Falten auf Dr. Arthurs Stirn vertieften sich.
Sheila nickte. „Ich habe sie angerufen, als Pete völlig verstört hier ankam und mir von der Leiche erzählte.“
„Wo ist er?“, erkundigte sich Dr. Arthur besorgt. Doch Ondragon hatte eher das Gefühl, der Arzt wolle mit seiner Sorge um den Kofferjungen einen gewissen Unmut darüber verbergen, dass Sheila die Polizei mit ins Spiel gebracht hatte.
„Pete ist unten im Büro an der Rezeption. Er ist immer noch total fertig. Ich glaube, es wäre gut, wenn Sie mit ihm sprechen würden, Dr. Arthur.“
„Wer weiß noch von der Leiche?“
„Bisher nur Pete und ich.“
„Gut, ich komme mit.“ Dr. Arthur wandte sich an Ondragon. „Bitte entschuldigen Sie dieses abrupte Ende unserer Sitzung. Das wird nicht wieder vorkommen. Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich mich jetzt um diese Angelegenheit kümmern muss.“ An Sheila gerichtet sagte er. „Informieren sie bitte Schwester Marsha, sie möchte den Patienten mitteilen, dass ihre Sitzungen auf den Nachmittag verschoben werden.“
„Mach ich, Dr. Arthur.“
Alle drei verließen das Sitzungszimmer und stiegen die Treppe nach unten. Zu gerne wäre Ondragon
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