Ondragon - Menschenhunger
Shamgood warf einen angewiderten Blick hinüber zu Hatchet, der gerade einen halbe Flasche Ketchup über seinem Burger leerte, „mit diesem unzivilisierten Neandertaler da und graben völlig schamlos die Damen an! Das steht so nicht in den Golden Rules !“
Jetzt reichte es! Der Kerl hatte ihm hinterhergeschnüffelt? Das sollte er lieber lassen, sonst würde es wirklich ungesund für ihn werden. Hoffentlich hatte er nicht auch seinen kleinen Einbruch in das Büro an der Rezeption beobachtet. Ondragon warf die Serviette auf den Tisch und schob seinen Stuhl zurück. Er wusste nicht, warum Shamgood Patient der CC Lodge war, aber eine Behandlung gegen manische Pedanterie und Rechthaberei würde ihm jedenfalls nicht schaden.
Im Grunde war er ja selbst schuld. Er hatte die Situation unterschätzt und sämtliche Insassen für harmlos gehalten. Er würde in Zukunft vorsichtiger agieren müssen.
„Sie sind ein sehr aufdringlicher Mensch, Mr. Shamgood. Das ist eine sehr schlechte Angewohnheit, richtig ? Ich schlage Ihnen vor, Sie halten sich von mir fern.“
„Pah, wollen Sie mir drohen? Ich muss Sie warnen, ich habe mit Sicherheit die besseren Anwälte als Sie!“
Du hast ja keine Ahnung, dachte Ondragon, bei den Leuten, die ich kenne, brauche ich keine Anwälte! Er stand auf und verließ den Tisch. In der Tür zum Restaurant begegnete er Miss Wolfe. Verwundert schaute sie ihn an. „Nanu, Sie gehen schon?“
Ondragon hatte keine Lust, unter dem selbstgerechten Blick Shamgoods mit Miss Wolfe zu sprechen. Deshalb zog er sie mit hinaus auf den Flur.
„Ich musste mein Abendessen früher als gewollt beenden.“ Instinktiv warf er einen Blick über die Schulter, so als könnten Shamgoods Augen direkt durch die Wand schauen. „Ich hatte eine sehr unschöne Tischgesellschaft.“
Miss Wolfe schien immer noch nicht zu verstehen, deshalb klärte er sie auf: „Mister-Tommy- ich-mache-in-Mode war mir etwas zu aufdringlich, da habe ich die Flucht ergriffen!“
„Hat er Sie angebaggert?“
Ondragon seufzte. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“
Miss Wolfe lächelte. „Ja, Mr. Shamgoods Charme kann Mann nur schwer wiederstehen. Er kann ganz schön aufdringlich sein.“
In der Tat! Wirft mir vor, ich belästige die Frauen, und schmeißt sich selbst ungehemmt an seine Beute ran.
„Dr. Arthur hat ihn schon mehrmals ermahnt, er solle es lassen. Wenn es Sie stört, Paul, dann sagen Sie es Sheila, die gibt die Beschwerde weiter.“
Ausgerechnet Sheila! Ondragon hob müde eine Hand. „Nein, nein, schon gut, mit dem werde ich schon fertig.“ Er blickte Miss Wolfe an. Der Hauch des Lächelns auf ihren Lippen gefiel ihm. Und überhaupt sah sie wieder ganz apart aus in ihrem grünen Angora-Pullover und dem indianischen Gürtel mit den Silberbeschlägen um die Hüften. „Wie wär‘s mit später in der Lounge? Dann können wir bei einem Golden - Rules -konformen Drink über den aufregenden Tag plaudern.“
„Gerne.“
„Schön.“ Ondragon verabschiedete sich und ging auf sein Zimmer. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, fluchte er laut und wählte die Nummer von Deputy Hase, die er sich zuvor aus dem Internet geholt hatte. Schon nach wenigen Sekunden hatte er den leitenden Ermittler im Fall „Bärenfutter“ am Apparat.
„Deputy Hase. Wer spricht?“
Ondragon erklärte ihm, wer er war und warum er anrief.
„Und das sagen Sie mir erst jetzt?“ Hases Tonfall verriet Überraschung und Gereiztheit zugleich.
„Nun, ich habe nicht gleich daran gedacht, dass ich gestern auch an der Stelle gewesen bin.“
„Wir haben in der Tat Ihre Fußspuren gefunden, Nike, Größe neun. Ganz frisch, mitten auf dem eingedrückten Brustkorb der Leiche!“
Was? Ondragon starrte entsetzt auf seine Laufschuhe, die ganz unschuldig neben dem Schrank standen. Für einen kurzen Moment war er sprachlos.
„Können Sie mir das erklären, Mr. Ondragon?“
„Äh, bitte?“
„Können Sie mir sagen, warum Sie nicht gemerkt haben, dass Sie auf eine Leiche getreten sind?“
„Ehrlich gesagt, nein.“
„Ich glaube, wir sollten das morgen etwas genauer besprechen. Ab acht Uhr wird die Polizei wieder in der Lodge sein. Wir haben vor, alle Gäste und Angestellten zu einer Befragung zu laden. Ich schlage vor, wir treffen uns gleich nach Ihrem Frühstück?“
„In Ordnung.“
„Und bringen Sie Ihre Schuhe mit!“ Der Deputy beendete das Gespräch, und Ondragon schaltete das Handy aus. Ungläubig glotzte er auf die Schuhe. In seinem
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