Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
mittelgroßen Transformator auf dem Holzgestell. Ein stechend metallischer Geruch lag in der Luft und bläulicher Qualm stieg von dem Kupferring an seiner Spitze auf.
„Ist er durchgebrannt?“, fragte Philemon und kletterte über die Stiege ins Innere der Umzäunung.
„Ja, die Spannung war wohl doch zu hoch“, entgegnete Löwenstein, „es hat einen Funkenüberschlag direkt an den Windungen gegeben und die Drähte sind durchgeschmolzen. Wir müssen die Spule reparieren.“ Er schien enttäuscht zu sein und fuhr sich über die verschwitzte Stirn.
„Ich werde mich sofort darum kümmern“, brummte Czito missmutig.
„Aber, aber, meine Herren. Warum so niedergeschlagen?“, warf Tesla beinahe vergnügt ein. Er trat neben seine Assistenten und lächelte glückselig. „Wir haben doch etwas zu feiern. Unser Experiment ist geglückt. Auf ganzer Linie! Wir haben Energie über eine Entfernung von hundert Metern durch die Erde gesandt und damit zweihundert Glühbirnen zum Leuchten gebracht. Welch großartiger Erfolg, aufgrund dessen ich Ihnen versichern kann, dass uns noch viel Größeres gelingen wird. Wir werden bald in der Lage sein, tausende von Glühbirnen auf dem Gipfel des Pikes Peak zu illuminieren! Sie werden sehen, es wird ein fantastisches Schauspiel, das auch den letzten Zweifler davon überzeugen wird, wie wertvoll unsere Arbeit hier ist.“
Philemon blickte der Reihe nach in die Gesichter. Tesla wirkte euphorisch, Czito und Löwestein dagegen deprimiert. Warum nahmen sie so wenig Anteil am Erfolg des Doktors? Hatten sie etwas anderes erwartet?
„So“, durchbrach Tesla das Schweigen, „da ich heute Nacht keine Verwendung mehr für Sie habe, Mr. Ailey, entbinde ich Sie von Ihren Pflichten und verordne Ihnen eine ausgedehnte Nachtruhe und Erholung bis morgen Mittag. Ich will, dass Sie erst nach dem Lunch hier wieder bei uns erscheinen. Ausgeruht und frohen Mutes! Mr. Löwenstein und Mr. Czito bleiben hier und werden versuchen, die Spule wieder zu richten. Und ich mache mich geschwind an die Aufzeichnung unserer Ergebnisse, so lange sie noch frisch in meinem Gedächtnis sind. Solch ein bedeutender Augenblick darf nicht einfach so verstreichen, ohne dass man ihn angemessen würdigt. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe, Mr. Ailey.“
Philemon wollte anbieten, dass er gleichfalls bleiben und bei der Reparatur helfen könne, aber der Doktor drehte sich um und kletterte über den Zaun. Das Gespräch war beendet. Nachdenklich sah Philemon ihm nach. Es war seltsam, aber es wirkte fast so, als wollten sie ihn nicht dabeihaben bei dem, was sie vorhatten. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Es war die von Löwenstein.
„Nichts für ungut, Junge. So ist er eben. Gehen Sie ruhig ins Hotel. Sie haben Glück. Ich beneide Sie um den Schlaf.“ Der Deutsche zwinkerte ihm freundlich zu.
Philemon nickte. Er verabschiedete sich und trat in die Dunkelheit draußen vor dem Laboratorium. Gedankenvoll blickte er in den sternenklaren Himmel hinauf und hörte, wie hinter ihm die Tür verriegelt wurde. Wenig später drangen seltsame Zischlaute durch die Holzwand zu ihm hinaus. Es war eindeutig! Sie hatten Geheimnisse vor ihm. Philemon spürte das beißende Gefühl der Kränkung in seiner Brust. War er nicht verlässlich genug? Hatte er nicht durch seinen Fleiß in den vergangenen Tagen bewiesen, dass er dem Doktor treu ergeben war? Offenbar nicht. Und das, obwohl Tesla doch gesagt hatte, dass es hier keinerlei Geheimnisse gab und dass Jedermann in sein Labor kommen und nachsehen könne. Warum hatte man ihn dann vor die Tür gesetzt? Das passte doch nicht zusammen.
Das Hochgefühl, das ihn eben noch beschwingt hatte, verflog und damit auch die Freude über die Beobachtungen während des Experiments. Das Strahlen der zweihundert Glühbirnen auf dem Prärieboden, die illuminiert durch die Nacht trudelnden Motten und das phosphoreszierende Glühen, welches das ganze Laborgebäude umhüllt hatte. All diese wundervollen Bilder konnten nicht die bittere Enttäuschung überdecken, die ihn in diesem Moment erfasste.
Philemon seufzte und marschierte mit hängendem Kopf durch die dunkle Prärie davon.
22. Kapitel
23. Mai 2011
Fortaleza, Brasilien 14.23 Uhr
Ein Fahrer des Honorarkonsulats brachte Ondragon zum Hotel. Auf der Fahrt schaute er gedankenverloren aus dem Fenster. Das Gespräch mit Kubicki war seltsam gewesen und es wirkte immer noch nach. Konnte es so etwas wie die gepimpte Version eines Perpetuum
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