Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
außer Sichtweite der Hütte war, verlangsamte er sein Tempo und ging keuchend zurück zur Stadt.
26. Kapitel
23. Mai 2011 Fortaleza, Brasilien 21.30 Uhr
„Es ist ganz bestimmt ein Code“, sagte Charlize erneut. „Schau mal, so könnte man ihn vielleicht entschlüsseln.“ Sie tippte mit dem Stift auf ein Blatt des Notizblockes, auf dem sie ein nummeriertes Alphabet geschrieben hatte.
„1 gleich A und 2 gleich B?“, fragte Ondragon skeptisch. „Ich glaube, ein Wissenschaftler vom Schlage Dr. Schuchs hatte bestimmt mehr auf dem Kasten!“ Er musste gähnen und hielt sich eine Hand vor den Mund. Die erste Aufregung über den Inhalt des Flugbuches war verebbt und er spürte nur noch Müdigkeit. Heute würden sie dem Rätsel nicht weiter auf den Leib rücken.
„Nichts für ungut, Charlize, aber ich muss mich dringend aufs Ohr hauen. Du kannst ja noch ein wenig weiter daran herumdoktern, wenn es dir Spaß macht. Auch an diesem komischen Kreuz-Tattoo. Holst du mich um acht Uhr ab?“
„ Hai. Oyasumi nasai , Chef.“
„Gleichfalls, schlaf gut.“ Ein erneutes Gähnen zwängte seine Kiefer auseinander und er schaffte es gerade noch rechtzeitig, Charlize zu verabschieden und die Tür hinter ihr zu verriegeln, bevor es lauthals hervorbrach. Mit der Pistole griffbereit unter dem Kopfkissen schlief er wenig später ein.
Eine Melodie durchdrang seinen Traum. Ein Traum, in dem seine Mutter mit ungerührter Miene in der Bibliothek stand und immer wieder sagte: „Das ist unsere Chance, Siegfried. Das ist unsere Chance!“ Aber was für eine verdammte Chance meinte sie? Und woher zum Teufel kam diese Musik? Zäh regte sich ein Erkennen in seinem Unterbewusstsein.
Kurz darauf war Ondragon hellwach und griff nach seinem Handy, aus dem es laut tönte: „ I know there‘s something going on! “ Sein altbewährter Klingelton von der Band Frida . Müde blinzelte er auf die Nummer, es war eine Hamburger Vorwahl. Rasch ging er dran.
„Hallo, Paul!“, sagte Günther Ludewig. „Was ist los? Du klingst ja, als ob du noch schläfst! Ach, verflixt!“ Ondragon hörte, wie der Professor sich vor den Kopf schlug. „Mein Fehler! Ich habe vergessen, dass es bei dir da drüben noch Nacht ist. Entschuldige. Soll ich dich später anrufen?“
„Schon gut, Günther, jetzt bin ich wach. Was gibt es?“ Ondragon setzte sich auf. Das Laken war völlig durchgeschwitzt. Mehr denn je sehnte er sich nach einer kalten Dusche. Er streckte seinen Arm aus, um den altersschwachen Ventilator an der Decke anzuschalten. Als der laue Luftstrom seine Haut kühlte, seufzte er leise auf.
Ludewig räusperte sich. „Es geht um deine Frage. Ich habe da jemanden gefunden, der sie dir womöglich beantworten kann. Einen Wissenschaftshistoriker. Er beschäftigt sich zwar hauptsächlich mit den Naturwissenschaften zur Zeit der Renaissance, aber sein Hobby sind auch Wissenschaftsmythen. Demnach weiß er einiges über die Forschungen, die in der Nazizeit betrieben wurden. Ich gebe dir seine Nummer und Mailadresse. Er ist Pole und hat einen Lehrstuhl an der Technischen Universität von Krakau, spricht aber ausgezeichnet Deutsch. Sein Name ist Professor Szymon Krupa.“
Ondragon notierte sich die Kontaktdaten. „Hervorragend. Ich werde ihn anrufen, sobald ich ausgeschlafen habe.“
„Mach das. Und entschuldige noch mal die Störung.“
„Kein Problem, man kann mich schließlich jederzeit anrufen, auch wenn es mich manchmal im Off-Modus erwischt. If you got problems big or tall, anytime you better call Paul! So lautet zumindest mein inoffizieller Geschäftsslogan.“ Ondragon gluckste vergnügt. „Vielen Dank für deine Mühen, Günther. Ich werde mich dafür revanchieren.“
„Ach was, da nicht für. Dann schlaf mal schön weiter!“
Lächelnd legte Ondragon auf. Es fühlte sich gut an, solche Freunde wie Ludewig zu haben. Er musste gut auf sie aufpassen. Ohne sie wäre er ein ziemlich zahnloser Drache. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz vor fünf war. Zwei Stunden Schlaf blieben ihm noch. Er ließ den Ventilator laufen und legte sich auf das Kissen.
Ein weiteres Mal betrat er das trügerische Reich der Träume und stand erneut neben seiner Mutter. Sie sah aus, als hätte sie auf ihn gewartet, und schenkte ihm ein gütiges Lächeln, das aber irgendwie falsch wirkte. Sie sagte: „Mein Junge, wir müssen Opfer bringen. Jeder von uns!“
Ondragon blickte sie mit den großen Augen eines verständnislosen Kindes an. Furchtsam
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