Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Finsternis seines Albdrucks. Danach folgte nichts. Nur Grabesstille.
Als er das nächste Mal so etwas wie einen Hauch von Realität verspürte, lag er nicht mehr in seinem Bett. Er war auch nicht mehr in einem Zimmer. Aber er konnte auch nicht sagen, wo er sich stattdessen befand. Zumindest lag er auf dem Rücken, so viel war schon mal klar, aber seine Sicht war so stark getrübt, als hätte man ihm eine viel zu starke Brille aufgesetzt. Egal, wie oft er blinzelte, alles, was er sehen konnte, waren grüne Schemen, die von hell zu dunkel wechselten und wieder zurück. Genauso schienen seine anderen Sinne nicht ganz intakt zu sein. Seine Nase und Zunge waren taub und sein Gehör verhielt sich wie nach einer Disconacht direkt neben den Musikboxen. Nur dumpf drangen Laute an die Nervenzellen in seinem Innenohr – ein Sirren und so etwas wie ein Klingeln.
Er wandte seinen Kopf auf dem weichen Untergrund. Spürte er dort etwa Feuchtigkeit auf seiner Haut? Sofort erfasste ihn Aufregung. Was, wenn er verletzt und es sein Blut war, das er da fühlte? Mit großer Mühe unternahm er einen Versuch, seine Arme zu bewegen, was ihm erst gelang, nachdem er begriffen hatte, dass sie eingeschlafen waren. Wie lange hatte er wohl schon darauf gelegen und sich das Blut abgeschnürt?
Mit einem schmerzhaften Kribbeln erwachten zuerst seine Finger zum Leben und danach seine Unter- und Oberarme. Als er sich darauf verlassen konnte, dass seine Gliedmaßen ihm gehorchten, rollte er sich vorsichtig auf die Seite. Doch schon bei dieser kleinsten Bewegung erfasste ihn jähe Übelkeit. Ondragon hielt inne, bis sich die säuregesättigten Wogen in seinem Magen geglättet hatten. Seine Finger gruben sich derweil in den feuchten Untergrund und fühlten und tasteten …
Was zum Teufel war das?
Es war nicht kalt, aber auch nicht sonderlich warm. War das Blut oder doch nur Wasser? Auch seine Kleidung war durchtränkt damit. Er hob eine Hand an den Kopf. Kleine Bröckchen hingen in seinem Haar. Sie fühlten sich irgendwie schleimig an.
Nachdem er einen Moment erfolglos gerätselt hatte, was für ein Zeug das sein könnte, setzte Ondragon die Reanimation seines Körpers fort. Inch um Inch hob sich seine physische Hülle aus dem feuchten Fundament, während sein Geist sich zu erinnern versuchte, was mit ihm geschehen war. Aber die Erkenntnis wollte sich nicht einstellen. Das Einzige, das immer wieder vor seinem inneren Auge aufflackerte, war ein grinsender Bugs Bunny. Absurd. Dafür wurde das dumpfe Klingeln in seinem Ohr allmählich klarer. Leider klang es immer noch verdächtig nach einem Tinnitus.
Eine ganze Weile saß er mit aufgerichtetem Oberkörper da, starrte und lauschte wie ein Blinder auf die leiseste Veränderung in der grünen Klangwelt, die ihn umfing. Bald bemerkte er, dass die Schemen vor seiner getrübten Linse dunklere Schattierungen annahmen und das Hellgrün einem gedeckten Tannengrün wich. Auch fühlte er auf seiner Gesichtshaut, dass die Temperatur um ihn herum sank. Und so als hätte ein DJ zu der wechselnden Stimmung eine passendere Platte aufgelegt, gesellte sich wenig später eine neue Oktave zu seinem Innenohrkonzert. Ein helles Trällern.
Ondragon hielt sich die Nase zu und blies Luft gegen den Druck auf seinen Trommelfellen. Als er die Hand wieder sinken ließ, setzten gleichzeitig sein Geruchs- und Geschmackssinn wieder ein und schlagartig wusste er nicht nur, was geschehen war, sondern auch wo er sich befand!
„Scheiße! Scheiße!“ Ruckartig sprang er auf die Beine, was eine kurze Schwarzblende vor seinen Augen verursachte, weil sein Kreislauf nicht mitkam. Sofort wurden seine Füße in den Schuhen nass, und der Untergrund begann, an ihnen zu saugen. Zumindest war er so weich, dass Ondragon bis zu den Knöcheln einsank. Entsetzt über die feuchte Realität stand er regungslos da.
Mitten im Sumpf!
Und was noch schlimmer war: Die Sonne ging gerade unter.
Das war die Zeit, in der die Alligatoren erwachten!
11. Kapitel
Im Sumpf
Er war in den Swamps. An welcher Stelle war völlig gleich, denn New Orleans war zu allen Seiten von Schlamm umgeben. Das Mississippi-Delta war ein einziger riesiger nasser Vorhof zur Hölle! Mehrere hundert Quadratmeilen nichts als Sumpf. Louisiana, der einzige Staat, der im Süden eine nicht zu kartographierende Grenze besaß, denn tatsächlich lud der Mississippi jedes Jahr Unmengen von neuem Schlick und Sedimenten in den Swamps ab und veränderte ständig die Küstenlinie.
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