Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
infrage kamen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als nur mit der Madame zu vereisen? Der Gedanke gefiel ihm nicht. Zu zweit und zusätzlich noch mit einer Amateurin an seiner Seite war das Risiko einfach zu groß, und irgendwie hatte er das dringende Bedürfnis, für diese Operation einen zweiten erfahrenen Waffenarm zu haben. Und zwar jemanden, der es verstand, die Augen offenzuhalten. Er selbst war zwar kein Teamplayer und tat sich immer schwer, mit jemanden zusammenzuarbeiten, aber dieser Fall war womöglich – und das gestand er sich nur ungern ein – eine Nummer zu groß für ihn alleine. Er dachte an den neuen Springer von DeForce. Wenn Rod dem Mann volles Vertrauen schenkte, dann würde er das auch tun können. Ondragon wählte Rods Nummer, um sich zu erkundigen, ob der Springer schon in der Luft war. Doch es antwortete ihm nur das Besetztzeichen. Er legte auf, wartete und wählte wenig später erneut. Als ihm die wohlbekannte Frauenstimme sagte, dass die Person am anderen Ende nicht erreichbar sei und er doch bitte die Mailbox benutzen solle, drückte Ondragon den Anruf wütend weg. Hatte er Chinesisch gesprochen oder was? Er hatte Rod doch gesagt, er solle erreichbar bleiben!
Verdammter Dreck. Vielleicht sollte er den Fall doch hinschmeißen!
Im selben Moment hörte er, wie sich die Tür zur Herrentoilette öffnete. Ruhig wartete er darauf, dass der Typ sein Geschäft erledigte und wieder verschwand. Doch es rührte sich nichts. Da war nur das Geräusch der Tür gewesen. Alarmiert steckte Ondragon das Handy weg und stieg vorsichtig auf den Rand der Toilette.
Es blieb weiterhin still.
Hatte er sich das Quietschen des Türscharniers bloß eingebildet? Oder stand einer seiner Feinde direkt hinter der Kabinentür und legte auf ihn an? Verdammt, warum hatte er so lange Zeit hier auf der Toilette vertrödelt?
Kaum hatte er das gedacht, ertönte ein langgezogenes Stöhnen aus der Kabine rechts neben ihm. Und es klang ganz sicher nicht nach jemandem mit Verdauungsproblemen. Ja, es mutete nicht einmal menschlich an!
Ondragon spürte, wie ihm das Adrenalin bis unter die Fingernägel schoss und tastete nach seiner Waffe im Hosenbund. Das Stöhnen widerholte sich nicht. Dafür hörte er ein Schaben und kurz darauf schlurfende Schritte.
Er zielte mit der Waffe auf die geschlossene Tür, vor der die Schritte Halt gemacht hatten, und hielt den Atem an. Sollte er einfach abdrücken? Nein, dann hätte er mächtig Ärger am Hals. Eine Schießerei in einem Restaurant war suboptimal. Er konzentrierte sich auf die Tür. Wenn es tatsächlich ein Zombie war, dann würde er ihn leicht überwältigen können. Zumindest glaubte er das. Er spannte seine Muskeln an, bereit zum Sprung. Die Kabinentür würde er einfach aus den Angeln reißen und sie dem Zombie vor die Stirn knallen!
Ohne zu zögern drückte Ondragon sich vom Toilettenrand ab und prallte mit der Schulter gegen die Tür, die sich mit berstenden Scharnieren öffnete. Keine Sekunde später stand er geduckt im Raum vor den Kabinen.
Aber dort war niemand!
Kein Zombie und auch kein überraschter Mitbürger, der sich die Nase rieb.
Rasch checkte Ondragon die anderen Kabinen, aber auch sie waren leer. Er steckte die Waffe weg und verließ mit angespannten Sinnen und schnellen Schritten das Restaurant, ehe seine Sachbeschädigung auffallen konnte.
Weil er fürchtete, verfolgt zu werden, machte er eine ausführliche Gegenaufklärung. Er schlenderte durch das schachbrettartige Straßennetz des French Quarters, blieb hier und da vor einem Schaufester stehen und tat so, als interessiere er sich für die dort ausgestellte Kunst, während er in Wirklichkeit das Glas als Spiegel benutzte, um die andere Straßenseite im Auge zu behalten. Zum Glück war in den Nebengassen nicht sonderlich viel los, obwohl der weltberühmte Karneval kurz bevorstand. Wahrscheinlich war es noch zu früh für die ganz große Party.
Für eine Viertelstunde ließ Ondragon sich in einem kleinen französischen Café nieder, in dessen grünbewachsenem Patio Tische mit Blick auf die Straße aufgestellt waren, und trank dort einen passablen Café au lait. Noch bevor er das Lokal verließ, steckte er sich die Knöpfe seiner Kopfhörer ins Ohr und tat so, als höre er über sein iPhone Musik. Wenig später setzte er seinen Weg fort und flanierte durch die Straßen. Das war einer seiner besten Tricks. Ein billiger, das musste er zugeben, aber er funktionierte immer, denn obwohl er leicht zum Takt
Weitere Kostenlose Bücher