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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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der Schulter.
    »Junge, wir sind da!« Die Stimme des Taxifahrers dröhnte in seinem Ohr, dass es wehtat. Die Erkenntnis, nicht zu Hause in seinem Bett zu liegen, sondern im Fond eines Taxis zu sitzen, an einem Ort, der ihm gänzlich unbekannt war, versetzte ihm einen Stich in die Brust.
    »Ist was?«, fragte der Taxifahrer.
    »Nein, alles okay.« Samuel streckte sich. Draußen war es dunkel. Die Scheibenwischer schaufelten hektisch den Regen zur Seite. Der Nachrichtensprecher hangelte sich von einer Meldung zur nächsten. Seine Stimme klang neutral, fast gelangweilt. »Nach gewalttätigen Ausschreitungen mit Toten und Verletzten in europäischen Metropolen haben sich die Vertreter der verbliebenen Eurostaaten zu einem Sondergipfel in Brüssel eingefunden. Auch hier werden Forderungen nach Sozialreformen immer lauter. Einzelne Staaten befürchten, weitere Kürzungen im öffentlichen Sektor könnten zu neuen Krawallen führen. Mehrere Hundert Studenten und Schüler wurden vorübergehend festgenommen.«
    »Das kann einem echt die Laune verhageln. Wollen die Kids, dass alles im Chaos versinkt? Und dann? Was soll dann passieren? Wo ist der Plan? Die wissen doch gar nicht, wofür sie kämpfen.«
    Samuel antwortete nicht. Erschöpft zog er die Transportbox heran und kraulte Badawi durch das Gitter. »Wo ist denn der Eingang?«, fragte er müde. Am liebsten wäre er sitzen geblieben.
    »Da drüben.« Der Fahrer zeigte auf eine hohe Mauer aus dunklem Granit, die von mehreren kleinen Strahlern angeleuchtet wurde. Im Lichtschein sah der Regen fast aus wie Schneeflocken. Schneeflocken , die hatte er zum letzten Mal als Kind gesehen. Von dem Gebäude hinter dem glänzenden Schutzwall konnte man nur die kantige Silhouette erkennen. In einem der Fenster brannte Licht. Ein Steinquader mit Augen aus Glas, daran erinnerte ihn das lang gezogene Gebäude. Es war genauso ein hässlicher Klotz wie der, in dem sie in Hongkong wohnten. Ohne Natur drum herum wirkte der vierstöckige Block sogar noch trostloser.
    »Näher komm ich nicht ran. Oder hast du ’nen Zugangscode für die Tiefgarage?«
    »Nein, aber ist gut. Danke. Ich steig aus.« Samuel tastete nach seinem Handy. Es musste ihm im Schlaf heruntergefallen sein. Jetzt wurde wieder nur die Notrufnummer der Polizei angezeigt. »So ein Mist.«
    »Brauchst du einen Schirm?«, fragte der Mann.
    »Ähm.« Samuel steckte das Handy ein. Sobald er wieder Empfang hatte, musste er sich bei Kata melden, sonst machte sie ihm nachher die Hölle heiß. »Wäre nicht schlecht.«
    Der Taxifahrer griff unter den Beifahrersitz, zog einen Schirm heraus und reichte ihn nach hinten. »Ist fast wie neu.«
    »Hab nur noch Dollars«, sagte Samuel und gähnte. »Oder kann ich auch mit Kreditkarte oder Code zahlen?«
    »Code?«, wiederholte der Mann verständnislos. »Geht aufs Haus. Der Kofferraum ist offen.«
    »Danke.« Samuel stieg aus. Regentropfen klatschten ihm ins Gesicht. Der Taxifahrer blieb hocken. Bei Regen roch die Luft viel klarer als in Hongkong. Selbst in der Bay hatte es nie so gut gerochen, weil die Kreuzfahrtschiffe und Frachter auf ihrem Weg in den Hafen lange Rauchfahnen hinter sich herzogen. Er spannte den Schirm auf und musste grinsen. An den Enden der Streben waren LED-Lichter befestigt, die zu blinken begannen und alle paar Sekunden die Richtung wechselten. Fehlte nur noch die passende Musik und man hätte daraus einen mobilen One-lonely-Man-Club machen können. Die Seitenscheibe fuhr herunter.
    »Geile Erfindung, was?«, brüllte der Taxifahrer begeistert. »Hat mein Onkel ein Patent drauf. Ist nicht nur an Karneval der Renner. Kannste gerne weiterempfehlen. Scheinst ja direkt an der Quelle für ein gutes Leben zu sitzen.«
    An der Quelle für ein gutes Leben . Wirkte er verwöhnt oder so? Seine Mutter hatte das ja im Spaß manchmal gesagt. Vielleicht war ja etwas dran …
    Er stellte den blinkenden Regenschirm auf den Boden und war innerhalb von Sekunden nass bis auf die Knochen. Na wenigstens war er jetzt wach. Kaum hatte er die Heckklappe geschlossen, brauste der Wagen davon. Nach etwa hundert Metern blieb er abrupt stehen. Die Rückfahrscheinwerfer gingen an und er sauste zurück.
    »Dein Tiger!«, rief der Fahrer aus dem geöffneten Fenster. »Ich mach keine Tiertransporte.«
    Erschrocken riss Samuel die Tür auf und zog die Transportbox heraus. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. War wirklich höchste Zeit, ins Bett zu kommen. Die Scheinwerfer entfernten sich wieder. Samuel

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