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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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Russen.«
    Kayan kniete nieder und half dem Mann auf die Beine. »Das meine ich nicht. Ich will nur wissen, woher dieser Mann kommt.« Er setzte ihn auf einem der Stühle ab und entdeckte auf dem Boden einen feinen Riss, der sich bis hinüber zum Eingang zog.
    »Was ist das?«, fragte er. »Sehen Sie den Riss?« Er tippte mit dem Fingernagel auf den harten Stein. »Womit wird hier geheizt?«
    »Womit hier geheizt wird?« Der Makler machte ein übertrieben ahnungsloses Gesicht. »Der Riss wird natürlich beseitigt. Geht aufs Haus.«
    Kayan erhob sich langsam und atmete dabei tief ein. Er spürte, wie sich die Wut an seinen Sehnen festklammerte und die Muskeln Faser für Faser unter Spannung setzte, bereit dazu, die aufgestaute Energie explosionsartig freizusetzen. Ja, er dachte tatsächlich daran, diesen Mann zu töten. Nicht, weil es sein Auftrag war, nicht, weil er dafür bezahlt wurde, sondern weil dieser Typ tatsächlich versucht hatte, ihm eine Schrottimmobilie anzudrehen. Ausgerechnet ihm. Er stand da mit mahlenden Kiefern und betrachtete den schmalen Rücken, die schmalen Schultern des Mannes am Tisch. Die feingliedrigen Finger, die affektiert wie die einer Frau durch das Exposé blätterten.
    »Das muss ich übersehen haben«, säuselte der Makler und fuhr sich nervös durchs Haar. Der Notar fummelte an seinem Handy herum. »Aber die Einsparkosten durch Erdwärme sind immens.«
    Kayan ballte die Fäuste. In Filmen sah es immer so leicht aus, das Genick mit den bloßen Händen zu brechen. War der Impuls jedoch zu schwach und zog man die Bewegung nicht ruckartig durch, so konnte es passieren, dass nur die Halsschlagader riss und das Opfer qualvoll verblutete.
    »Sie glauben, die Risse könnten mit den Bohrungen zu tun haben?«, meldete sich der Notar zu Wort. Kayan antwortete nicht. Mit versteinerter Miene erwartete er den Moment, in dem sich der Makler zu ihm umdrehte und ihn anschaute. Seine Augen. Er würde diesem Bandido direkt in die Augen sehen. Und dann würde er über dessen Schicksal entscheiden.

Vier
    Berlin | 22 Grad | Nieselregen
    Samuel machte sich keine Illusionen darüber, dass sein Trip durch Europa warten musste. Er blickte sich in der kargen Hütte um. Sie war aufgeräumt. Außer einer Eckbank mit zwei Stühlen, unter der sich Badawi sofort verkroch, einem zugeklappten Laptop auf dem Tisch davor und einer einzelnen leeren Bierflasche stand nichts herum. Fabienne hantierte mit einem Gaskocher. Nachdem sie Samuels Wunde mit ein paar geschickten Stichen genäht hatte, hatte sie in der Schublade im Esstisch zwei Tütensuppen gefunden und wollte sie nun zubereiten. Von außen hatte die Hütte verwildert ausgesehen, wie aus einem dunklen Märchen. Die Tarnung war perfekt. Keiner würde auf die Idee kommen, dass sich hinter der Holzfassade ein Notquartier der Organisation befand. In dem angrenzenden Schuppen hatten sie, wie versprochen, ein unter Folie verborgenes Motorrad für die Weiterfahrt gefunden. Samuel saß halb zusammengesunken auf der Eckbank und schaute Fabienne dabei zu, wie sie die Suppentüten mit den Zähnen aufriss und das Pulver ins sprudelnde Wasser rieseln ließ. Er stellte sich die Verhöre durch die Polizei vor. Seine Mutter würde mit Sicherheit begeistert sein, dass ihr Sohn als Mordverdächtiger in seine Volljährigkeit startete.
    »Hi, Mum, ich soll übrigens Onkel Justus abgemurkst haben. Könntest du die Sache kurz für mich regeln?« Wahrscheinlich waren es die verdammten Kopfschmerzen, die sein Gehirn diese Gespräche führen ließen. Woran er jedoch nicht mal in diesem Zustand glaubte, war, dass Fabienne und die anderen mit ihrem Putschversuch durchkamen. Sobald man die ersten eingebuchtet hatte, würde sich der Aufstand zerschlagen.
    Fast schon routinemäßig klingelte Samuel alle Telefonnummern durch, die infrage kamen. Aber wieder war nur Kata zu erreichen. Diesmal sprach er ihr nicht auf die Mailbox. Vielleicht hing sie an irgendeinem Flughafen fest.
    »Immer noch keinen erreicht?«, fragte Fabienne, probierte die Suppe und schüttelte sich. Dann setzte sie sich zu Samuel an den Tisch. »Ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir zusammen aus einem Topf essen müssen.« Sie reichte ihm den abgestoßenen Löffel.
    »Nein. Ist okay.« Lächelnd schlürfte Samuel die Suppe. Sie schmeckte ziemlich salzig, aber die Wärme tat gut.
    »Vorzüglich«, sagte Fabienne grinsend. »Nicht wahr?«
    »Grandios«, erwiderte Samuel und gab ihr den Löffel zurück.
    Fabienne lachte.

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