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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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Füßen fühlte sich weich an. Er behielt die Hütte im Blick. Sich zu verlaufen, war das Letzte, was er jetzt wollte. Als er die Hosen runterließ, hörte er hinter sich ein Rascheln und zuckte zusammen. Vielleicht hatte Fabienne die Warnung vor dem Wildschwein ernst gemeint. In Samuels Fantasie stürzte ein rauflustiger Keiler, der sein nacktes Hinterteil als Provokation betrachtete, direkt auf ihn zu. Er leuchtete in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Das Licht der kleinen Taschenlampe war nicht besonders stark. Getrappel, das sich hektisch entfernte, Äste, die knackten. Vielleicht war es ein Reh gewesen, das unzivilisierte Menschen, die in sein Wohnzimmer kackten, loswerden wollte. Bei dem Gedanken schmunzelte Samuel kurz, wurde aber im nächsten Moment wieder ernst. Wenn er sich Actionfilme aus Hollywood anschaute, hatte er sich oft daran gestört, dass mitten in den aussichtslosesten Situationen irgendeiner versuchte, witzig zu sein, oder der Held die Zeit und Muße fand, mit dem weiblichen Gegenpart ins Bett zu steigen. Er hatte das immer für ein unrealistisches Szenario gehalten. Doch eben in diesem Moment, als er da mit heruntergelassenen Hosen x-beinig und verkrampft in der Hocke saß und den Wind im Gesicht spürte, begriff er, dass es diese Augenblicke wirklich gab. Dass man im größten Schlamassel feststecken konnte und von irgendwoher plötzlich ein Gedanke kam, der einem die Ironie von alledem vor Augen führte und die Wirklichkeit für Sekunden in anderem Licht erstrahlen ließ.
    Als Samuel auf dem Rückweg zur Hütte noch einmal nach oben schaute, um den Sternenhimmel zu bewundern, wurde ihm bewusst, wie bedeutungslos er und der Planet waren, auf dem er ging. Und seine Angst, wie es nach dieser Nacht weitergehen würde, wich für wenige Schritte einem bis dahin nie gekannten Glücksgefühl.
    Samuel drückte die Tür auf und wurde von lautem Gekeife empfangen. Verwirrt blieb er stehen. Am Tisch vor dem Laptop hockten zwei Typen in Tarnkleidung und glotzten auf den Computer, während Fabienne ihnen entgegenbrüllte, dass sie gefälligst ihren Auftrag befolgen sollten.
    »Das Spiel ist zu Ende, habt ihr das nicht kapiert?«, sagte sie wütend und tänzelte aufgebracht vor den beiden Jungs herum. Der jüngere von beiden ließ sein Zungenpiercing aufblitzen und steckte sich eine Zigarette an.
    »Entspann dich«, sagte er und schaute zu Samuel. »Haben wir euch gestört oder was?«
    Samuel reagierte nicht auf die Anspielung. Er schloss zögernd die Tür hinter sich.
    »Ihr dürft keine eigenen Filme mehr uploaden, das steht so im Leitfaden.« Fabienne trat wütend neben den Tisch, als würde sie darüber nachdenken, die beiden Typen zu verdreschen.
    »Hey, krieg dich mal wieder ein«, sagte der Gepiercte, während sein Kumpel eine kleine Kamera mit dem Laptop verband. »In Sektor zwei haben wir die Frist verlängert.«
    »Es gibt keine Sektoren mehr«, brüllte Fabienne. »Habt ihr das nicht mitgekriegt?«
    Auf dem Laptop sah man nun unscharf und grobkörnig, wie die Menschen aus der Wirtschaft von vorhin auf die Straße strömten. Die Szene war aus der Vogelperspektive aufgenommen. Flugblätter schwirrten wie Schwalben durch den Lichtkegel und das Glockenläuten drang kratzend und übersteuert aus den Laptop-Lautsprechern.
    »Mach dich locker«, bellte der andere Junge zu Fabienne und hielt sie am Arm fest. »Gleich sind wir fertig.«
    Der Gepiercte zog das USB-Kabel ab. »Hat super geklappt mit dem Lichtkegel. Die Aktion bringt uns Minimum acht Bitcoins«, sagte er zu seinem Kumpel. Die beiden klatschten sich ab und erhoben sich.
    Fabienne befreite sich aus der Umklammerung. »Ihr seid solche Arschlöcher!«, schrie sie mit Tränen in den Augen, griff nach der leeren Bierflasche und schleuderte sie den beiden hinterher, als sie an Samuel vorbei ins Freie verschwanden.
    »Wer war das denn?«, fragte Samuel.
    Fabienne antwortete nicht. Sie sank auf den Boden, als hätten ihre Kräfte sie verlassen. Dann vergrub sie ihren Kopf zwischen den Knien und weinte. Sie schluchzte, zitterte am ganzen Körper. Samuel ging zu ihr hinüber und legte seine Arme um sie. »Hat er dir wehgetan?«, fragte er besorgt.
    »Sie kapieren nicht, dass es das Spiel ab jetzt nicht mehr gibt, nicht mehr geben darf«, nuschelte sie. »Sie denken immer noch, dass die Sektoren im Wettstreit stehen. Das verstehe ich nicht. Haben die denn den Leitfaden nicht gelesen?«
    »Ist das so schlimm?«, fragte Samuel

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