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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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an. So als hätte man erklärt, man wohne in den Slums von Bombay. Ich kontere dann gern damit, dass man bei uns dafür nicht in die Lage gerät, schon ab Freitagmittag nicht mehr wegzukommen, weil kein Bus mehr fährt und der nächste Club charmante vierzig Kilometer Anreise voraussetzt. Aber wirklich, der Ruhrpott ist schöner, als man denkt. Ich meine, hier gibt es auch Grün! Sogar ziemlich viel davon! Aber eben nicht so viel, dass es eine unkomplizierte Wochenendplanung verhindern würde.
    Nachdem ich an meiner Haltestelle aus der S-Bahn gefallen bin, laufe ich etwas verpeilt den Bahnsteig entlang und renne prompt in jemanden rein. Bis mir klar wird, dass der Mann sich mir absichtlich in den Weg gestellt haben muss. Empört riskiere ich einen Blick.
    »Wie siehst du denn aus?«, kommt es leicht angewidert von gegenüber. Oh toll, es ist Mark. Ich versuche, meine Sinne zusammenzunehmen und die Situation zu rekapitulieren.
    »Du hast immer noch Sachen bei mir«, sage ich möglichst sachlich.
    »Hast du auf der Straße geschlafen? Oder wo kommst du jetzt her?« Natürlich ignoriert er mein Anliegen. Wie immer.
    »Soll ich sie dir zuschicken?«, frage ich deshalb.
    Mark rümpft die Nase. »Ist das Rotwein? Bist du das?«
    »Hallo, Mark!«, sage ich und wedele mit der Hand vor seiner Nase herum. »Mein Aussehen steht hier nicht zur Debatte. Möchtest du deine Sachen noch haben?«
    Mark sieht mich immer noch angewidert an, obwohl er ungefähr genauso abgerissen aussieht wie ich. Nur dass es bei ihm wohl Absicht ist. Kann mir aber jetzt egal sein.
    »Man erzählt sich ja tolle Sachen von dir«, platzt es aus ihm heraus.
    »Ach ja? Und dich interessiert anderer Leute Gerede?«
    Ha, jetzt habe ich ihn. Er behauptet doch sonst immer, nichts auf die Meinung anderer Leute zu geben.
    »Stimmt es denn?«
    Ich werde nicht darauf eingehen. »Soll ich dir die Sachen nun zuschicken?«
    Er merkt wohl, dass er nicht weiterkommt. Plötzlich drängt er sich so nah an mir vorbei, dass er meine Schulter streift, absichtlich und nicht gerade sanft. »Von mir aus«, zischt er mir im Vorbeigehen zu. Dann steigt er in die wartende S-Bahn ein. Vollidiot! Das Erste, was ich zu Hause tun werde, ist, seine Sachen in den Müll zu schmeißen.
    Wieder in meinen eigenen vier Wänden stecke ich meine rotweingetränkten Klamotten in die Waschmaschine und bringe Marks Sachen in den Hausmüll. Endlich, das Thema wäre erledigt! Dann mache ich ein paar Hausaufgaben für die Uni, weil ich seit der Auseinandersetzung mit Mark plötzlich nicht mehr müde bin.
    Mit einer frisch aufgebrühten Tasse Tee in der Hand wähle ich die Nummer von Oma und Opa. Jetzt will ich doch mal selber hören, was es für revolutionäre Neuigkeiten gibt. Nach fünfmal Klingeln ist Oma dran und freut sich wie eine Wilde, dass ich sie anrufe.
    »Was macht ihr für Sachen?«, frage ich lachend und sie lacht herzlich mit.
    »Ach, Lilly-Schatz, das ist eine längere Geschichte.«
    »Aber wenn ihr Weihnachten nicht kommt, wann sehen wir uns denn dann?«
    »Komm doch vorbei, wenn du magst!«
    Na gut, wenn »vorbeikommen« nicht bis Frankfurt fahren bedeuten würde, hätte ich Lust, mich direkt ins Auto zu setzen.
    »Wie wäre es mit dem letzten Wochenende vor Weihnachten? Opa und ich fliegen erst am Dienstag, dann sind wir einen Tag vor dem Heiligen Abend nachmittags an Bord.«
    »Gute Idee!«
    »Kommst du Freitag? Dann könntest du bei uns schlafen.«
    »Das klingt gut, aber ich hab bis nachmittags noch Uni. Danach mache ich mich sofort auf den Weg.«
    »Ja schön, dann machen wir am Samstag noch etwas Hübsches zusammen!«
    »Au ja!«
    »Schön, mein Kind. Und sonst geht es dir gut?«
    »Ja, alles gut. Und bei euch?«
    »Auch alles gut!«
    »Toll! Dann sehen wir uns bald!«
    »Ja, Kind, und ich freu mich.«
    »Ich mich auch. Grüße an Opa!«
    »Werde ich ausrichten. Mach’s gut, Lilly-Schatz!«
    »Du auch, Oma, au revoir!«
    »Au revoir, Lilly!« Lachend legen wir beide auf. Hach, ich freue mich! Leider sehe ich die zwei viel zu selten.
    Um meinen fabelhaften Tee noch zu krönen, suche ich in den Untiefen meiner wild zusammengewürfelten Küche nach ein paar Keksen. Leider muss ich feststellen, dass man keine findet, wenn man keine gekauft hat. Aber das Paket Spekulatius tut es auch. Während ich die Plastikverpackung aufreiße, denke ich noch mal an Jannick. Was für ein dreister Kerl! Natürlich hatte Dorle recht mit ihren Warnungen. Aber ich wollte ja nichts davon hören.

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