One Night Wonder
hinterherräumen.«
*
Als ich um 18 Uhr ohne weitere Zwischenfälle Feierabend machen kann, habe ich noch keine Lust, nach Hause zu fahren. Ich simse Marius, ob er Lust auf Pizza hat. Er ist begeistert. Also nehme ich die S-Bahn und hole bei einem kleinen Stehitaliener an der Ecke zwei Pizzen für uns. Salami für mich, Tonno für Marius.
»Ah, Cherie mit der Pizza«, sagt er zur Begrüßung und hat schon wieder so eine unmöglich tiefgeschnittene Hose an. Ich schiele Richtung Davids Zimmer. Mist, die Tür ist zu. Wir verziehen uns in die Küche, wo Marius Pizzateller und ein Schneiderädchen hervorzaubert. Zwei große Gläser Apfelschorle machen unser Dinner perfekt.
»Hast du auch so ’nen Hunger?«, frage ich und kann es kaum noch erwarten.
»Ja, ich hab auf der Arbeit heut nix gegessen.«
»Okay, dann los!«
Wir schmausen wortlos, bis ich nicht mehr kann und Marius spekulierend meinen Rest anstarrt.
»Kannst du haben!«
»Oh ja!« Mit unseren vollen Bäuchen können wir uns beide kaum noch auf den Stühlen halten.
»Wohnzimmer«, flüstert Marius, und ich folge ihm bereitwillig. Davids Tür ist immer noch zu.
»Wo ist denn dein Mitbewohner?«, frage ich, weil ich so neugierig bin. »Der ist auf ’ner Exkursion. Drei Tage lang Vögel gucken, irgendwo in der Wildnis.« Man sieht Marius deutlich an, dass er den Sinn des Ganzen nicht wirklich nachvollziehen kann.
»Komische Biologen«, sage ich, und er nickt.
Dann plötzlich setzt er sich auf. »Sag mal, ist diese Woche nicht das Konzert?«
»Ja.«
»Und?«
»Was und?«
»Gehst du nun hin oder nicht?«
»Ich werd’s auf jeden Fall versuchen.«
»Ist er wirklich so ein Schnuckel?«
»Willst du mit?«
»Nein danke, die sind mir noch zu unangesagt.«
»Es geht doch auch nicht um die Musik.«
»Egal.«
»Du kannst ein richtiger Snob sein!«
»Moment mal, wer geht denn bitteschön auf ein Konzert, nicht um sich die Musik anzuhören, sondern um einen der Musiker klarzumachen?«
»Das ist nicht snobistisch.«
»Nein, das ist schon fast dekadent!«
Wir gucken uns an, und dann können wir nicht mehr ernst bleiben. Ich schmeiße Marius ein kleines Zierkissen an den Kopf, er revanchiert sich, indem er mich an den Haaren zieht. Gut, dass David nicht da ist, der hätte ein zweites Mal Grund, uns für bescheuert zu halten. Und das würde ich nicht wollen. Schließlich finde ich ihn interessant. Nur, warum eigentlich, das wüsste ich selber gerne.
6. Kapitel
Musikerküsse
Heute ist der Tag X: Ich weiß nicht mehr genau, wie ich den Tag bis jetzt herumgekriegt habe. Wahrscheinlich war ich an der Uni, ich erinnere mich daran, mit Trudi und Jule über Bauphysik diskutiert zu haben. Und Timo ist mit gesenktem Kopf an mir vorbeigehastet, leider heute ohne Ringelshirt. Er tut nach unserem Intermezzo jedenfalls so, als würde er mich nicht mehr kennen.
Ach ja, in der Bahn auf dem Weg nach Hause habe ich einen niedlichen Typen gesehen, der mir schon mal aufgefallen war. Er ist wahnsinnig groß und sieht echt klasse aus. Aber heute hatte ich nicht wirklich Lust, genauer hinzugucken.
*
Gerade habe ich meinen Haaren eine Kur verpasst und ihre Farbe aufgefrischt. Was ich anziehen soll, weiß ich immer noch nicht, zumal die Suche in meinem Kleiderschrank schwierig ist, da fast der komplette Inhalt schwarz ist. Ich verehre dunkle Farben, ich liebe den morbiden Charme von Klamotten, die wie überfahren aussehen, und grelle Haare. Sonnenstudiobräune finde ich ebenso würdelos wie Kunstfingernägel, schlechte Dauerwellen und arschkurze Jäckchen im Winter.
Als ich endlich bei einem schlichten Outfit hängen geblieben bin, verschmiere ich auch noch meine Schminke. Der Kajal sieht aus, als wolle er ausgerechnet heute anfangen zu bröckeln. Hilfe! Ich reiße meinen Parka von einem der Haken im Flur und knalle die Wohnungstür hinter mir zu. Auf dem Weg zum Club träume ich beim Autofahren und hätte fast das Abbiegen verpasst. Ich bin ehrlich erleichtert, als ich meinen Wagen geparkt habe und zum Eingang spazieren kann.
Punkt 20 Uhr stehe ich mit mulmigem Gefühl in einem ziemlich vollen, ziemlich kleinen Club. Als es endlich losgeht, ziehe ich mich an den Rand des Geschehens zurück, denn es ist mir schon wieder zu eng zwischen dem hauptsächlich weiblichen Publikum. Die Musik ist ganz okay, aber dieser Lukas ist ein echter Blickfang. Nach der Hälfte der Songs zieht er sich sein T-Shirt über den Kopf, und ich seufze tatsächlich leise auf. Manchmal schleudert
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