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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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einem Taschentuch den verlaufenen Kajal ab und ordnet ihren Pony. Als ich so weit bin, ist sie auch wieder okay.
    »Lass uns was tun, Süße, dabei kriegt man den Kopf frei!« Debo nickt lächelnd, und gemeinsam machen wir uns ans Werk. Wir haben gerade den Haufen auf dem Falttisch bezwungen, da kommt eine Stammkundin mit ihren Kindern die Treppe hoch. Sie ist eine der elegantesten Personen, die ich kenne, und die Einzige, die eine echte Birkin besitzt. Als Halbitalienerin hat sie wunderbar dichte, nussbraune Haare und einen milchkaffeefarbenen Teint. Dass sie schon drei Kinder hat, wollte erst niemand glauben. Sie kommt jedes halbe Jahr mit ihren zwei Töchtern und kauft ihnen ein paar schöne Teile. Als sie das erste Mal mit ihrer schwarzen American Express bei uns bezahlt hat, wollte Gundis sie erst nicht annehmen, weil sie nur die grünen kannte. Das war ziemlich peinlich, aber sie scheint es nicht so wichtig genommen zu haben. Ihre Kinder sind so altmodisch gut erzogen, dass sie sogar »bitte« und »danke« sagen.
    Heute ist sie hier, um den Mädchen etwas Schönes für die Feiertage zu kaufen. Ich zeige ihr unsere neueste Kollektion, und die beiden Mädels probieren alles an, ohne zu murren. Zum guten Schluss schleppen die drei vier Tüten aus dem Laden, und Gundis sieht sehr zufrieden aus. Der Umsatz für heute ist gesichert.
    Abends, als Gundis gerade die Tür abschließen will und wir nach Hause wollen, steht Dorle plötzlich im Laden.
    »Oh, Lilly, macht ihr schon zu?«
    »Ja«, sagt Gundis und klappert mit dem Schlüsselbund.
    »Ach, das ist ja ärgerlich«, sagt Dorle zu Gundis. Ich nehme ihren Arm und ziehe sie sanft aus Gundis’ Hörweite.
    »Du hattest recht mit Jannick«, sage ich.
    »Hast du dich einwickeln lassen?«
    »Ja, und zum Lohn stand seine Freundin am nächsten Morgen mit dem Frühstück im Zimmer.«
    »Tss …, liiert ist er also auch noch.« Dorle schüttelt den Kopf.
    »Woher wusstest du von ihm?«, frage ich.
    »Sein Ruf eilt ihm voraus.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß, dass er auf der Schauspielschule keinen so guten Ruf hat.«
    »Oh.«
    »Ich habe dich ja gewarnt.«
    »Ja, du hast es nur gut gemeint, aber manchmal …«
    »… kann man nicht Nein sagen«, vollendet Dorle den Satz für mich. Ich nicke nur. Gundis klappert erneut mit dem Schlüsselbund und schickt böse Blicke in unsere Richtung.
    »Okay, Lilly, vielleicht schaffe ich es ein anderes Mal vor Ladenschluss. Ich muss jetzt noch ein bisschen was einkaufen, ich habe Bernd versprochen, heute Abend zu kochen. Mach’s gut.« Sie umarmt mich kurz, dann wendet sie sich zum Gehen.
    »Du auch, Dorle! Und viele Grüße an Bernd!« Sie hebt noch die Hand über die Schulter, dann ist sie weg. Zurück bleiben ihr schweres Parfum und eine ungeduldig schnaufende Gundis. Debo ist noch immer oben im Lager, um ihren Mantel anzuziehen. Ich vermute, sie telefoniert. Hoffentlich nicht mit diesem Georg, dann kann es nämlich noch ewig dauern.
    »Deborah!«, ruft Gundis nach oben.
    »Jaha!«, kommt es dumpf zurück.
    »Deborah! Jetzt!«
    »Ja doch …« Dann endlich kommt sie die Treppe heruntergerast, und Gundis kann endlich in ihren verdienten Feierabend starten. Debo redet immer noch auf jemanden am anderen Ende der Leitung ein und wirft mir nur ein Handküsschen zu, als sich unsere Wege trennen.
    Wenig später in der Bahn schaue ich auf mein eigenes Handy. Keine neuen Nachrichten. Soll ich das jetzt gut oder schlecht finden? Mit gemischten Gefühlen trudele ich zu Hause ein und schmeiße aus Langeweile den PC an. Aha, wenigstens dort denkt jemand an mich. Es ist David. Er hat mir bei MySpace geschrieben. »Ich könnte dich mit meinen Kochkünsten beeindrucken«, steht da. Für mehr reichte wohl wieder die Zeit nicht. Ich freue mich trotzdem und schreibe ihm »Oh, bitte gerne doch« zurück. Weil keine Antwort kommt, lese ich noch ein bisschen für die Uni, und dann gehe ich schlafen.
    *
    Freitagabend sitze ich in der Marius-David-WG auf dem Fußboden und blättere in einer Uni-Zeitschrift. Und das, weil David mich eingeladen hat, zu einem italienischen Abendessen, man glaubt es kaum. Aus den Lautsprechern ertönt leise Musik. David hat versucht, in Marius’ heiliger Küche Nudeln mit Tomatensoße zu kochen, was gründlich danebengegangen ist. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Trümmerfeld ist dagegen aufgeräumt.
    Inzwischen sucht David den Pizzabäcker seines Vertrauens auf, um uns doch noch ein Abendessen zu organisieren.

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