One Night Wonder
nicke.
»Hast du heute schon was gegessen?«
»Keinen Hunger …«, krächze ich, obwohl das nicht ganz stimmt.
»Ach?«, fragt David und glaubt mir nicht. Er steht auf und marschiert Richtung Küche. Ich höre, wie er den Kühlschrank aufmacht.
»Hast du keinen Hunger, weil du nichts dahast, oder bist du auf Diät?«, fragt er, als er wieder im Zimmer ist.
Ich zucke kleinlaut mit den Schultern. Unpassenderweise knurrt auch noch in diesem Moment mein Magen lautstark.
»Warum fällt es dir eigentlich so schwer, Leute um einen Gefallen zu bitten?«
»Keine Ahnung, frag mich etwas anderes.« Sehe ich so aus, als hätte ich gerade Lust, über mich selbst zu meditieren?
»Überleg doch wenigstens mal!«
»Ich will dich nur nicht so für mich einspannen.« Das habe ich nämlich eigentlich gar nicht verdient.
»Ich habe dir meine Hilfe doch angeboten!«
»Ja, ich weiß.« – Und es ist auch schön, dass du da bist. Wirklich.
»Dann nimm sie doch an.«
»Ja.«
»Okay, worauf hast du Appetit?«
Hühnersuppe mit ganz viel Gemüse! Und großen Stücken Fleisch, frisch und salzig! Und etwas, was die Seele wärmt.
»Ja?«, fragt David noch mal nach.
»Hühnersuppe«, sage ich dann doch.
»Hühnersuppe.«
»Du wolltest es ja wissen.«
»Na gut, so schwer wird so eine Suppe schon nicht sein. Ich kaufe Huhn und Gemüse und …« Er denkt laut nach. »Wie bekommt man die Brühe?«
»Ich glaube, indem man das Huhn auskocht.«
»Auskocht? Du meinst, ein ganzes Huhn? Am Stück?«
»Keine Ahnung.«
»Hm.« David schielt zu meinem Rechner hinüber. »So etwas kann man doch bestimmt im Netz nachgucken.«
»Bestimmt.« Bei dem Gedanken an heiße, frische Suppe wird mir schon gleich viel wohler. David lässt sich vor meinem Rechner nieder und findet auch sofort ein Rezept mit Einkaufsliste, das er sich komplett ausdruckt. Dann macht er sich auf den Weg.
Als er weg ist, ist es plötzlich wieder seltsam leer in der Wohnung. Ich glaube, ich muss ganz dringend Jule anrufen.
»Süße, wie geht’s dir? Ist die Erkältung schon besser geworden?«, fragt sie.
»Nein, gar nicht. Eher schlimmer.«
»Oh nein, kann ich dir etwas Gutes tun?«
»David ist da, er kauft gerade ein.«
»Sag das noch mal.«
»Ja, David ist für mich zur Apotheke gefahren, und jetzt kauft er alles ein für Hühnersuppe!«
»Er ist einfach so vorbeigekommen?«
»Nein, er hat vorher angerufen.«
»Und du findest das … wie?«, fragt sie ungläubig.
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich das finden soll.«
»Wieso lässt du ihn dann zu dir kommen?«
»Weil ich Hilfe brauchte! Und vielleicht gefällt es mir auch ein bisschen, ihn hier zu haben.«
»Jetzt hast du dich doch in ihn verguckt.«
»Weiß ich nicht.«
»Hört sich aber so an.«
»Ich will nicht darüber nachdenken.«
»Macht er denn irgendwelche Andeutungen in diese Richtung?«
»Verbal, meinst du?«
»Ja.«
»Nee, er ist wohl eher der Typ, der Taten sprechen lässt.«
»Und er geht jetzt wirklich für dich einkaufen? Obwohl ihr nicht mal zusammen seid?«
»Sieht so aus.«
»Hm.«
»Was denkst du?«
»Vielleicht solltest du wirklich mal einfach auf dein Herz hören, statt immer nur deinen Kopf sprechen zu lassen.«
»Dafür bin ich nicht der Typ.«
»So ein Quatsch. Dafür ist jeder der Typ! Er tut dir gut, er ist für dich da. Du findest, er sieht gut aus. Und er ist nett zu dir!«
»Ich dachte, du wärst eher für Lukas.«
»Meinungen ändern sich eben.«
»Bloß, weil er für mich einkauft?«
»Nein, weil ihm nicht egal ist, was ihn eigentlich nichts angehen müsste.«
»Den Satz habe ich jetzt nicht verstanden.«
»Du bist ja auch in schlechter Verfassung, Lilly. Versuch ihn doch mal weitab von deinen strengen Regeln zu betrachten. Was fühlst du, wenn er gleich wieder da ist? Findest du es schön, dass er bei dir ist? Musst du bei ihm auch das starke, große Mädchen spielen, das alles alleine kann? Oder glaubst du, er mag dich immer noch, wenn du mal einfach bloß ein Mensch mit Stärken und Schwächen bist?«
Wo hat Jule eigentlich gelernt, so druckreif zu sprechen?
»Ja, ich werd’s mal probieren«, sage ich.
»Du schaffst das, Süße!«, lacht Jule.
Eine halbe Stunde später ist David wieder da. Er hat sogar noch Joghurt, Brot, Käse, Wurst, Saft und Milch mitgebracht. So gesund war mein Kühlschrank schon lange nicht mehr ausstaffiert. Er hat ein ganzes Suppenhuhn erstanden, das er mir triumphierend unter die Nase hält.
»Guck mal, das
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