One Night Wonder
machen sich zum Vollidioten. Scheißkerl!
»Ich hätte echt nicht mehr damit gerechnet, dass du … na ja, dass du so denkst, wie du es gerade gesagt hast.« David scheint sich sichtlich unwohl zu fühlen in seiner Haut. Ich gönne es ihm.
»Viel Spaß bei deinem Date«, sage ich. »Und vielen Dank für deinen brüderlichen Einsatz bei mir.«
»Jetzt werd mal nicht unfair! Es ist kein Date.«
»Wiedersehen«, sage ich. David springt auf.
»Gewöhn dir endlich mal ab, so zu sein, wie du gar nicht sein willst! Und gib mir keine Schuld! Du hast mich nicht gewollt und nicht umgekehrt. Irgendwann hört jeder mal auf, einem Traum nachzulaufen!«
Déjà-vu, das kommt mir doch alles bekannt vor? Ich denke an Mark und wie unsanft ich aus meinem persönlichen Luftschloss gefallen bin. Auch ein Traum, der nicht wahr geworden ist.
»Ich bin ehrlich zu dir, weil sich an meiner Sympathie für dich nichts geändert hat. Und weil ich glaube, dass unter der harten Schale aus Stacheln und Eis eine liebenswerte Frau steckt, die einfach nur zu viel Angst vor sich selber hat. Und die sich schützen will.«
Er hat recht mit allem, was er sagt. Er hat mich mal wieder durchschaut, und er mag mich trotzdem. Und ich habe es geschafft, ihn zu vergraulen.
»Ich muss jetzt los, ich lasse Leute nicht gern warten.«
»Viel Spaß«, sage ich und vermag es nicht, ihn anzusehen.
»Ich melde mich mal bei dir und erkundige mich nach deinem Gesundheitszustand, ja?«
»Ja, das wäre nett.«
»Gute Besserung.«
»Danke noch mal.«
»Keine Ursache.« Die Tür fällt ins Schloss, und er ist weg. Er hat mit mir Schluss gemacht, bevor es etwas zum Schlussmachen gab.
Ich kann doch jetzt nicht schon wieder Jule anrufen? Nein, ich will ihr nicht auf den Keks gehen, sie wird sowieso denken, dass ich schuld bin, dass jetzt alles ist, wie es ist. – Und genau so wollte ich es doch auch! Ich wollte allein sein. Frei! Mir nehmen, was ich will und kriegen kann, und ansonsten meine Ruhe haben. Und jetzt habe ich sie tatsächlich. Meine Wohnung ist still und leer, und zum ersten Mal finde ich es unerträglich und nicht erholsam wie sonst.
Am Abend simst Jule und will wissen, »wie es so läuft«.
Ich schreibe ihr zurück, dass alles verdammt blöd gelaufen ist und ich jetzt nicht darüber reden will. Sie antwortet etwas, das ich nicht lese, stattdessen schiebe ich mein Handy verächtlich unter eins der Zierkissen. Ich verbringe den Abend und den ganzen nächsten Tag mit Nichtstun. David hat sich noch nicht gemeldet. Ich ertappe mich dabei, dass ich auf eine Nachricht von ihm warte. Was ist bloß los mit mir? Kann ich etwa nicht mehr alleine sein?
Am dritten Tag wird mein Hals besser, die emotionale Schieflage ist allerdings unverändert. Ich lebe immer noch von dieser Hühnersuppe. Morgens habe ich schon wieder die erste feste Nahrung in Form eines Butterbrots essen können. Es geht also bergauf. Sollte es jedenfalls. In Wahrheit schleiche ich herum wie Falschgeld, gucke wahlweise auf das schwarze Handydisplay oder Löcher in die Luft. Manchmal bilde ich mir ein, dass er gleich bei mir klingeln wird. So als Überraschungsbesuch. Er wird mir erzählen, dass die andere ’ne dumme Kuh ist und dass es ihm leid tut. Und ich würde ihm vielleicht verzeihen. Aber nur, weil er so gut kochen kann, natürlich.
Doch de facto passiert gar nichts. Ich sitze herum, nehme meine Medikamente, dusche hin und wieder mal oder esse etwas. Niemand meldet sich bei mir. Die Wohnung und ich, wir haben nur uns. Der große Unterschied zwischen »allein« und »einsam« ist, dass das Erste etwas Selbstbestimmtes ist und dass man in das Zweite so hineingerät, ohne zu wissen, wie das nun passiert ist und wie man da wieder herauskommt.
13. Kapitel
Süße Versuchung
Nach fünf Tagen kann ich keine Hühnersuppe mehr sehen. Ich schütte den Rest in die Toilette, spüle den Topf und räume ihn wieder ins Regal. Schluss mit dem Sterbender-Schwan-Gehabe! Ich muss mal wieder unter Leute, sonst fange ich an, mit den Möbeln zu reden.
Ich räume die Wohnung auf, während ich überlege, was ich heute Abend anziehe. Janine, eine Kommilitonin, feiert in ihren Geburtstag rein, und am Montag geht dann die Uni wieder los. Leider muss ich alleine zur Party, denn Jule ist mit Tobias im Ballett. Die Tickets waren ein Weihnachtsgeschenk von ihm. Ich putze gerade den Küchentisch, da fällt mein Blick auf zwei Seiten bedrucktes Papier: »Hühnersuppe – Das Penicillin der Juden« steht da als
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