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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nach kurzem Zögern elf weitere Patronen aus seiner Unterschenkelprothese, befestigte sie in einem Schnelllader und steckte diesen in die Jacke.
    Er ging leicht humpelnd hinaus. Der Stumpf machte ihm weiterhin wegen des Wetters zu schaffen, er pulste und zog unangenehm.
    Als Thielke auf der Straße stand, winkte er ein Taxi herbei und ließ sich zum Friedhof bringen. Der unvermeidliche Kaugummi landete in seinem Mund, sein Atem roch nach einer kruden Mischung aus Cola und Zigarrenqualm.
    Während der Fahrt studierte er den Friedhofsplan. Auch wenn Bent Arctander aus Schweden stammte, kam ein Teil seiner Vorfahren aus Spanien. Aus Madrid. Der war vor einhundert Jahren gewesen, den spanischen Einschlag sah man dem Narko nicht mehr an.
    Was der Todesschläfer nun am Grab seines Urgroßvaters wollte, konnte sich Thielke nicht vorstellen. Ein nostalgisches Wiedersehen auf der Durchreise? Oder wollte er erneut jemanden treffen wie in Marrakesch? Was er von Bouler gewollt hatte, blieb durch dessen Tod leider im Dunkeln.
    Zwei Adressen standen noch zur Prüfung aus, auch wenn sie in der Vergangenheit wichtig gewesen wären, um Arctander abzufangen: die Via Balzina in Roccastrada und die Apotheke in Venedig, Nummer eins und zwei auf Arctanders kleiner Reiseliste. Orte, die er zuvor aufsuchte. Bisher hatte er sich noch nicht eingehend damit befasst, da er den Schweden lieber an seinen zukünftigen Reisezielen treffen wollte. »Ich werde ihn gewiss treffen«, brummelte er. »Sogar auf hundert Meter.«
    »Qué, Señor?«
    »Nada«, gab er zurück. Das war das einzige Wort, das er auf Spanisch beherrschte: nichts. Der LeMat in seinem Rücken drückte, wartete auf seinen Einsatz.
    Die Madrider Wärme überfiel ihn, machte Thielke schläfrig und drückte ihm sacht die Lider nach unten.
    Er wehrte sich nicht dagegen und sank entspannt in einen oberflächlichen Schlummer, ohne Angst haben zu müssen, dass er den Taxifahrer umbrachte. Sein Trick. Der Ausweg aus dem Elend des Fluchs, ganz ohne Elektronik …
    Irgendwann hielt der Wagen schaukelnd an.
    »Señor. Wir sind da«, sagte der Fahrer in beinahe unverständlichem Englisch.
    Thielke fuhr mit einem Schnarchgeräusch in die Höhe und wischte sich seinen Schlafsabber von der Wange. »Wie viel?«
    »Dreißig Euro, Señor.«
    Er kniff die Augen zusammen und sah auf das Taxameter, das bereits ausgeschaltet war. »Ist das eine Schätzung? Wie wäre es, wenn du mir die Anzeige noch mal zeigst, damit ich dir und der Maschine glauben kann?«
    »No, no, Señor. Sind genau dreißig Euro.« Der Mann wirkte gelangweilt, anscheinend führte er diese Diskussion nicht zum ersten Mal.
    Thielke überlegte, ob er den LeMat zum Einsatz bringen sollte, um den echten Preis zu erfahren, den er auch anstandslos bezahlen würde. Aber die installierte Videokamera im Innenraum, die per Funk an die Zentrale sendete, hielt ihn davon ab.
    »Das ist Beschiss!«, sagte er deutlich in die Linse und zeigte das Fuck-you-Zeichen. Er spuckte den Kaugummi aus dem Mund in die Hand, knüllte ihn in die Scheine und formte daraus einen Ball. Das klumpige, pappende Geld-Gummi-Gebilde stopfte er tief in die Ritzen des Polsters. »Stimmt so.«
    Thielke verließ den Wagen und ließ die Tür offen. Das Fluchen des Fahrers und die
Bastardo
-Rufe quittierte er mit einem breiten Grinsen.
    Er hinkte auf den parkähnlichen Friedhof und nahm die Karte zur Hand, suchte das richtige Grab.
    Arctanders Verwandtschaft hieß Ibanez, und der Uropa hatte die klangvollen Vornamen Jesús Domingo Hérnando. Dank des Lageplans fand er die Grabstelle recht schnell und suchte sich eine Bank in der Nähe, keine fünfzig Meter entfernt unter einem ausladenden Olivenbaum, der ihn zumindest etwas vor dem heißen Taggestirn schützte. Die Sonnenbrille im Gesicht, nahm er das Gehäuse der Nikon aus der Tasche und schraubte das größte Tele darauf.
    Thielke hoffte, dass der Narko nicht schon aufgetaucht und wieder verschwunden war. Aber Arctander hätte kaum schneller als er aus Marrakesch abreisen können.
    Mit dem Zoom holte er den Grabstein ganz dicht an sein gesundes Auge.
    »Hm, verstehe«, murmelte er, als er die feine Nachricht darauf las. Für das normale Auge kaum ersichtlich war mit Kreide eine Uhrzeit in die untere rechte Ecke geschrieben worden. 18  Uhr.
    Bis dahin dauerte es noch vier Stunden. Sofern der heutige Tag gemeint war.
    »Kacke.« Thielke leckte einen salzigen Schweißfilm von der Oberlippe und machte es sich auf der Bank

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