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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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hörte er Marna gellend schreien.
    Wo ist sie?
Er sah nach rechts, wo sie stand.
    Die junge Frau sank gerade auf die Knie, den Mund weit geöffnet und das kalkweiße Gesicht verzerrt vor Pein. Sie rang erstickt nach Luft und hielt sich die Brust.
    Sie stirbt!
Sastre setzte ihre Gabe ein, um den Stein, den Schnitter und Arctander zu verbinden. Der Schutz des Umfelds spielte für sie gerade eine untergeordnete Rolle.
Sastre muss …
»Beeilen Sie sich!«, rief er über das Knistern. »Herbst geht sonst drauf!« Er sah zu Thielke, dem sein Grauen anzusehen war. Einen solchen Hass des Todes kannte er nicht.
    »Ziehen Sie den Ring an«, gab Sastre zurück. Ihre erschöpfte Stimme war kaum zu hören.
    »Welchen …«
    »Harlekin’s Death«, stöhnte sie. »Jetzt, Korff. Ich stehe das nicht noch einmal durch. Jetzt oder niemals mehr, das weiß ich.« Sie schloss die Augen und streckte eine Hand nach ihm aus, während die bebenden Finger ihrer Rechten auf Arctanders Stirn und dem Stein verweilten. Ihre dunklen Haare färbten sich von den Wurzeln an heller und wurden immer grauer. Ihr Gesicht fiel ein, erhielt etwas Mumienhaftes.
    Konstantin streifte sich den Ring über den linken Mittelfinger.
    Das Knistern wurde überwältigend laut in seinen Ohren, es zwang einen Schrei aus seinem Mund. Jede Zelle im Leib schien zu platzen, schwarze Funken tanzten vor seinen Augen. Er schwankte, trieb die attackierende Bewusstlosigkeit mit Willenskraft zurück.
    Gleichzeitig bekam Sastre seine Hand zu fassen und drückte fest zu, fester, als es eine Frau ihrer Statur können sollte. Seine Finger schmerzten unter dem Druck, ein Knochen brach, doch er entzog sich ihr nicht.
    Ein heißer Strahl jagte seinen Arm hinauf, eine Mischung aus elektrischem Schlag und Säure fraß sich durch ihn bis zu seinem Kopf und ließ die Welt in einem explodierenden Feuerball verschwinden.
    Konstantin roch schmelzendes Plastik, Klavierlack und warmen Filz, durch den sich der Geruch nach Minze und Metallstaub schob. Sein Mund schien mit Steinen gefüllt zu sein – und dann kamen die Bilder aus der Vergangenheit.
    Er sah Tote, die er verschuldet hatte, als Leichen zu einem Berg gestapelt, die langsam verrotteten. Das Fleisch löste sich auf und lief als stinkender Schleim von den Gebeinen, kroch auf ihn zu, umschloss ihn.
    Er wich zurück und fiel in eine Grube, die sich mit der bestialisch riechenden Flüssigkeit füllte. Er schrie, und der Leichensaft füllte seinen Schlund, seine Lungen, die Augen und Ohren.
    Konstantin brüllte und heulte – und fand sich im Bunker wieder.
    Er kniete neben Arctander und hatte den Boden vollgekotzt, Blut schoss aus seiner aufgebissenen Lippe. Die Hand mit dem Ring brannte wie Feuer. Die Adern darauf standen dick unter der Haut hervor, als pumpte die doppelte Menge Flüssigkeit darin.
    Vor ihm hockte Sastre, die Arme auf die Oberschenkel gestützt. Sie hechelte, schien fast erstickt zu sein. Ihre Haare waren schlohweiß, fielen büschelweise aus. Konstantin sah die verhärmten Züge, die in den letzten Minuten um Jahre gealtert schienen.
Was hat sie dieser Einsatz gekostet?
    Konstantin spuckte aus und wischte sich über den Mund, blickte sich um. Arctander schlief friedlich mit dem Stein auf der Stirn, Thielke lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und stemmte sich eben mit einem langen Stöhnen auf, als wäre er ein frisch erwachter Untoter.
    »Herbst?« Schnell sah er nach Marna.
    Sie lag keine zwei Meter entfernt von ihm, zusammengekrümmt, wie ein Embryo, die Fäuste geballt. Aus den Händen lief Blut, ihre Nägel hatten Haut und Fleisch durchschnitten.
    Er kroch zu ihr, drehte sie auf den Rücken und tätschelte ihre bleiche Wange. Die ungewöhnlichen rötlich grauen Augen waren geöffnet, sie blickte durch ihn hindurch zur Decke.
    »Herbst, nicht sterben!« Er tastete nach ihrem Puls, der unter seinem Finger Schlag um Schlag langsamer wurde. Der Brustkorb senkte sich ein letztes Mal – und blieb stehen.
    Aber noch waren ihre Augen nicht gebrochen, noch waren sie nicht zu leblosem Glas geworden.
    Ohne zu zögern, setzte er seine Lippen auf Marnas, blies Luft in ihre Lungen, machte Herzmassage, beatmete sie, drückte wieder rhythmisch auf ihre Brust, wie er es gelernt hatte. »Hey, Herbst«, rief er zwischendurch und spürte, wie er zu schwitzen anfing. Es knackte. Er hatte ihr eine Rippe gebrochen. Er gab nicht auf.
Das hat sie nicht verdient. Nicht sie.
»Herbst, bleiben Sie hier!«
    Er senkte seinen Mund auf

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