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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nahm Märchen sofort als Realität an. Theoretisch könnte er sich ebenso auf die Suche nach dem Gral begeben. Jester hatte ihn genau davor gewarnt.
    Er atmete tief ein und aus.
Ruhig. Ich muss mit Vernunft an die Sache herangehen. Ich sollte die Märchen als Grundlage für eine Hypothese nehmen und muss mir überlegen, wie ich diese Hypothese verifizieren oder falsifizieren kann.
    Wichtiger war ohnehin erst einmal Bent Arctander, der Narkoleptiker und brandgefährliche Todesschläfer.
Jester hat recht. Man darf ihn nicht unkontrolliert herumlaufen lassen.
    Konstantin schwang sich in seiner geliehenen Krankenpflegerhose vom Bett, stöhnte auf, weil er seine Beinverletzung vergessen hatte, und humpelte zum Schrank, wo eine Plastiktüte mit der blutigen Hose lag. Konstantin entließ sich selbst, um auf sein Hausboot zurückzukehren, wo sein Computer wartete. Der Ausgangspunkt für die Nachforschungen zum Schnitter, den Steinen und Arctander.
    Als er gegen den Protest von Lernschwester Moni in den Aufzug stieg, kamen ihm Jesters niedergeschlagenes Gesicht und dessen Worte in den Sinn: »Die stärkste Waffe des Todes ist die Liebe.«
    Konstantin hatte vergessen, danach zu fragen, was mit Jesters Beziehung geschehen war.

[home]
    VII

    Der Geschmack des Todes
    ist auf meiner Zunge.
    Ich fühle etwas,
    das nicht von dieser Welt ist.
    Angebliche letzte Worte
von Wolfgang Amadeus Mozart,
verstorben am 5. Dezember 1791
    Leipzig, Deutschland
    K onstantin saß in der Straßenbahn Linie 1 und gondelte durch Leipzigs abendliche Innenstadt, bekleidet mit einer weißen Krankenpflegerhose und seinem schwarzen Poloshirt; der rechte Turnschuh starrte vor getrocknetem Blut.
    Sein Handy funktionierte wieder, er hatte es noch im Krankenhaus unter einem Händetrockner geföhnt. Iva rief er dennoch nicht an. Ihm war noch nichts eingefallen, womit er seine Flucht aus ihrer Wohnung und seine wirr klingende Geschichte vergessen machen konnte. Konstantin sah auf die unter Hosenstoff und Verbandszeug verborgene Schusswunde und den versifften Turnschuh hinab.
Hätte ich mal besser die Klappe gehalten und wäre bei ihr geblieben.
    Seine Haltestelle, Clara-Zetkin-Park, näherte sich, und er erhob sich vom Behindertensitz, hinkte zum Ausgang und schwang sich einigermaßen behende hinaus. Das Loch in seinem Bein war zwar behandelt, doch es tat weh, klopfte, pochte und gab alles, um ihn an die Verletzung zu erinnern. Nicht vom Tod gesehen zu werden bedeutete leider nicht, keine Krankheiten zu bekommen oder auf wundersame Weise zu heilen. Ein Todesschläfer zu sein brachte keine echten Vorteile mit sich, wie Konstantin fand.
    Selbst das Nichtsterben war ein Nachteil.
    Er erinnerte sich an eine Mission, bei der er im Auftrag einer Witwe einen reichen britischen Politiker zur Strecke bringen sollte. Jesters Leute hatten damals die Sicherung des Mannes übernommen. Konstantin und das Personenschützerteam waren aneinandergeraten, der MI 6 hatte sein gesamtes Waffenarsenal von Automatikpistolen bis hin zu Sprengstoffen eingesetzt, um den korrupten Politiker vor Konstantin zu retten. Dabei war Stella, ein Mitglied der
Topor’s Men,
in eine Benzinverpuffung geraten. Siebzig Prozent verbrannte Hautoberfläche, die Augen versengt und blind, das rechte Bein war nicht mehr als ein verkohltes Stück Fleisch gewesen – und doch pumpte Stellas Herz unerbittlich und hielt sie am Leben, trotz der Schmerzen, trotz der Tatsache, dass sich ihr Körper unmöglich erholen konnte. Jester hatte sie an einen abgeschiedenen Ort gebracht und sie von ihrem körperlichen Leiden befreit. Ihre Seele wartete vermutlich noch immer auf Erlösung.
    Das wird mir erspart bleiben.
Er humpelte die Käthe-Kollwitz-Straße entlang. Die Plastiktüte mit seinen Sachen hatte er sich über die Schulter gelegt, damit sie nicht aus Versehen gegen seine Wunde schlug. Durch seinen schiefen Gang kam er sich wie ein alter Seebär auf Landgang vor.
    Es war trotz der späten Uhrzeit sommerlich warm. Menschen saßen in den Außenbereichen der nahen Cafés, genossen gutes Essen, redeten bei einem Schwarzbier oder bei Absinth.
    Danach stand Konstantin gerade nicht der Sinn.
    Er hatte ein ernstes, schwieriges Gespräch mit der Frau zu führen, in die er verliebt war und die er ganz sicher liebte. Mit Seele und Körper. Der Gedanke zu scheitern, sie nicht zurückzugewinnen, bescherte ihm kalte Hände und ein Ziehen in der Magengegend. Unvergleichliche Angst.
    Konstantin ging zur Anlegestelle des

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