Oneiros: Tödlicher Fluch
seitliche Klapptür und stieg ein.
Den kalten Rauchgeruch, der ihm entgegenschlug, nahm er kaum noch wahr, seine Kippe frischte den Gestank ohnehin wieder auf.
Im Inneren waren kleine Spinde an den Wandverstrebungen festgemacht, ein Schlafsack und eine Isomatte lagen zerknüllt in der Ecke und hatten dem Tisch weichen müssen, auf dem sein Laptop stand.
Jetzt zeig mal, wer du bist und warum dich die Baronesse toll findet.
Thielke setzte sich auf den Klapphocker, nahm die Speicherkarte aus der Kamera, um die Bilder auf den Rechner zu ziehen. Er startete die Suchanfrage: einmal zu dem Namen des Mannes, einmal zu dem Konterfei.
In der Zwischenzeit tippte er seinen neuesten Bericht und schickte ihn zusammen mit den Aufnahmen via Webstick verschlüsselt an einen Server. Auf seinem Laptop waren nie mehr als die neuesten Daten zu finden, seine gesammelten Erkenntnisse bewahrte er im großen Netz der unbegrenzten Möglichkeiten auf. In Sicherheit.
Thielke zog die Schublade mit der grauen Markierung auf, nahm einen Insulin-Pen mit schnell wirkendem Insulin heraus, und rammte sich die dünne, kurze Nadel ohne viel Aufhebens seitlich in den Oberschenkel, um sich eine Dosis des Medikaments zu spritzen. Anschließend holte er einen Schokoriegel aus einer anderen Schublade und vertilgte ihn genüsslich, bevor er den kleinen Kühlschrank öffnete und eine Flasche Cola herausnahm.
Scheiß auf den Zucker.
Dabei dachte er über die Baronesse nach, die seit ihrem Ausstieg bei den
Deathsleepers
eine umtriebige Einzelgängerin war. Ganz verstand er nicht, was sie tat und warum. Sie ging zu geschickt vor. Doch eines wusste er: Todesschläfer, die mit ihr zu tun hatten, verschwanden.
Korff dagegen war nach einem wilden Leben als Auftragskiller ein braves Lamm geworden.
Vom Saulus zum Paulus.
Thielke beließ es daher dabei, den Thanatologen zu überwachen. Sollte es Anzeichen geben, dass Korff in sein altes Leben zurück wollte …
Noch einmal lasse ich dich damit nicht durchkommen.
Thielke nahm sich einen zweiten Schokoriegel und vertraute darauf, dass das Insulin alles im Griff hatte. Anfangs hatte er seine Krankheit ignoriert und dank des Diabetes das linke Augenlicht und seinen rechten Unterschenkel eingebüßt. Inzwischen war er vernünftiger geworden – ein bisschen.
Die nächste Zigarette hatte er bereits aus der Schachtel genommen und angesteckt. Knisternd brannte der Tabak, er inhalierte tief. »So«, murmelte er und sah nach den Ergebnissen der ersten, oberflächlichen Recherche. »Ah, soziale Netzwerke. Tolle Erfindung«, sagte er lachend.
Ein Abgleich mit den Bildern, die er geschossen hatte, bestätigte die Suchergebnisse. Der Mann war Gainsborough Tillman aus Wisconsin, amerikanischer Staatsbürger mit mehreren Doktortiteln, der nach einem Klinikskandal nach Südamerika verschwand. Ihm wurde vorgeworfen, dass er Organtransplantationen ohne Notwendigkeit und ohne Einverständnis der Patienten beziehungsweise ihrer Bevollmächtigten vorgenommen hatte. Woher die eingesetzten Organe stammten, blieb im Dunkeln. Über Mexiko und eine Drogenbande wurde spekuliert.
»Kollega Tillman hat ein wenig experimentiert. Nice, Sir.« Thielke trank einen Schluck aus der Flasche. Diesen brillanten, aber moralisch untragbaren Arzt hatte sich die Baronesse also unter den Nagel gerissen. Mit Sack und Pack, wenn er an die vielen Koffer dachte.
Thielke recherchierte weiter, suchte nach Hinweisen, die ihn als Todesschläfer enttarnten, auch wenn Thielke seine Hand dafür ins Feuer gelegt hätte, dass Tillman ein normaler Mensch war. Sicher war sicher.
Was will sie mit dir?
Thielke starrte auf das Bild, auf dem sich Windau und Tillman unterhielten.
Hat es mit den verschwundenen Todesschläfern zu tun? Das wäre ein Hammer!
Er kannte sich aus mit den Männern und Frauen, die dem Tod trotzten, ohne es zu wollen. Und er wusste um ihre geheimen Organisationen aus eigener Erfahrung. Inzwischen kannte er auch viele der Einzelgänger und Aussteiger. Doch die Baronesse blieb ihm ein Rätsel.
Thielke überlegte, wozu sie den korrupten Arzt gebrauchen könnte.
Benötigt sie ein neues Organ und möchte nur das eines Todesschläfers?
Er zog den LeMat aus seiner Tasche und legte ihn auf den Tisch, dann entledigte er sich alles anderen, weswegen man ihn festnehmen konnte. Sonnenbrille und Kamera mit einem formatierten Chip nahm er mit und stieg aus dem Bedford, ging schnurstracks und rauchend auf den Flughafeneingang zu. Er wollte Doc Tillman auf
Weitere Kostenlose Bücher