Oneway to Montréal - Roman (German Edition)
furchtbar peinlich, aber es war ja eigentlich nichts passiert und ich wollte keinen Ärger machen.“
Sie schwieg bedrückt.
Dann atmete sie tief ein und sprach schnell weiter, als wolle sie es hinter sich bringen:
„Am nächsten Tag war Patrice tot und mein erster Gedanke war: Will hat es getan, damit Patrice nichts erzählt! Aber die Polizei sagte, Will wäre schlafend im Bett gelegen, als sie ihn befragt hatten und seine Mutter hätte mehrmals in der Nacht nach ihm gesehen, weil er Albträume gehabt hätte.
Was hätte ich sagen sollen?
Aber ich glaube nicht an solche Zufälle und bei Will hatte ich immer ein ungutes Gefühl. Er hat mich immer beobachtet und ist dauernd irgendwo zufällig aufgetaucht.“
Sie atmete tief ein, erleichtert, dass sie es sich von der Seele geredet hatte – das Dunkle, das wie eine Last gewesen war.
Dan schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass alle erschrocken hochfuhren.
„Dieser Mistkerl hat mich damals angelogen?
Dass er dir Angst gemacht hatte, konnte ich sehen, Sammy. Aber du hast nichts gesagt, darum habe ich es darauf beruhen lassen.
Dass er dich beobachtet hat, wusste ich. Ich habe ihn mir damals ja zur Brust genommen und ihm gesagt, was ich mit ihm mache, wenn er dir zu nahe kommt.
Das war an dem letzten Abend mit Patrice. Verdammt nochmal! Er war für mich einfach ein kleiner, dicker, schüchterner Typ, im schlimmsten Fall ein harmloser Spanner.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm einen Mord überhaupt zutraue, Sammy. Aber er kommt nicht mehr hierher, Jeannie! Und wir halten die Augen offen, o.k.?“
Alle nickten und Larry spürte erstaunt, wie wütend er ebenfalls war. Einen stets freundlichen, hilfsbereiten Menschen wie Sammy zu bedrängen, war unterste Schublade! Wahrscheinlich hatte der Kerl sie einfach angehimmelt und war über sein Ziel etwas hinausgeschossen, andererseits war Sammy wirklich verängstigt.
Möglicherweise hatte Will Patrice bedroht, dieser hatte ihn ausgelacht und das Ganze war eskaliert! Man würde es heute nicht mehr nachvollziehen können.
Zehn Jahre war der Junge tot und Will war kein unsympathischer Mann geworden. Kein Mensch würde auf ungute Gefühle eines damals verängstigten Mädchens mit Nachforschungen und Verhören reagieren. Aber auch er schwor sich, die Augen offen zu halten.
Jea nnie nahm Sammy an der Hand und die beiden Mädchen gingen nach oben. Larry bekam mit, dass sich Jeannie in Sammys Zimmer einquartierte.
Er blickte den Freund an.
Dan sah frustriert aus.
Leise klärte er Larry auf:
„Sie hatte damals wochenlang Albträume. Jeannie schlief oft bei ihr und es wurde ein Psychiater hinzugezogen. Aber sie hat nie gesagt, dass es mit Will zusammenhing. Sonst hätte Jeannie ihn heute nie mitgebracht. Man kann ihr da keinerlei Vorwurf machen!“
Larry nickte, aber er spürte einen Stich im Herzen, als er daran dachte, dass Sammy heute Nacht vielleicht wieder Albträume bekäme. Und er gestand sich unglücklich ein, d ass er gerne derjenige wäre, der sie dann im Arm halten und trösten würde!
Am nächsten Morgen schien die Sonne, als wäre nichts geschehen und auch Sammy wirkte gelöst und heiter.
Dan nahm Jeannie unauffällig auf die Seite und fragte sie nach der Nacht, aber Jeannie hatte nichts von einem Albtraum bemerkt.
Das Leben nahm seinen Gang, aber Will verschwand aus ihren Gedanken nicht ganz so schnell , wie er bei ihnen aufgetaucht war.
Der Ball
Eines Abends Ende Mai gingen alle vier zusammen zu einem Tanzabend. Es handelte sich um einen Ball der Studentenvereinigung von Dan und Larry in Ottawa.
Die beiden jungen Männer waren bereits am Nachmittag mit Dans Wagen vorausgefahren, da sie bei den Vorbereitungen mithalfen. Sammy und Jeannie wollten abends nachkommen. Sammy hatte morgens noch eine Vorlesung und nahm Jeannie in ihrem Mini bis zum Colson-Shoppingcenter mit.
Als sie versuchte den Wagen zu starten, dauerte es eine ganze Weile, bis er ansprang. Die Mädchen blickten sich erleichtert an, dann fuhren sie los. Am Spätnachmittag trafen sie sich wieder zuhause und begannen sich für den Ball vorzubereiten.
Sie quatschten, während sie duschten und sich schminkten, und genossen, dass mal keine Jungs im Haus waren. So konnten sie in Unterwäsche durch den Flur sausen, immer auf der Suche nach dem geeignetsten Outfit. Die Stapel auf den Betten wurden immer größer, bis sie endlich ihre Wahl getroffen hatten.
Sammy trug ein royalblaues Kleid mit einem Wasserfallausschnitt und einem weit
Weitere Kostenlose Bücher