Onkel Horatios 1000 Sünden
auszustoßen.
«Schließlich wird doch dein enormes Vermögen aus dem Orient hierher überwiesen?»
«Vielleicht habe ich vor dem Bankfexen ein wenig übertrieben», gestand Lord Brickwood. «Ich finde immer, daß es nichts schadet, Vertrauen einzuflößen. Genaugenommen wird das Vermögen im Augenblick nicht so besonders groß sein. Der Hongkonger Markt war in der letzten Zeit recht unsicher. Ja, ich wäre gar nicht überrascht, wenn die Gelder überhaupt nicht auftauchten.»
«Aber wer soll das Essen, die Getränke, die Diener und die Neuanschaffungen für die Wohnung bezahlen?» schrie Teddy auf.
«Das ist ganz einfach», erwiderte Lord Brickwood und rauchte seine Zigarre mit neugewonnenem Vergnügen. «Du natürlich.»
«Ich???»
Er nickte. «Ja, sobald du erst mit der kleinen Fitzhammond verheiratet bist, stehen dir doch Millionenbeträge zur Verfügung.»
«Aber ich werde die kleine Fitzhammond doch nicht heiraten!»
«Was?» Lord Brickwood biß vor Schreck seine Zigarre entzwei. «Soll das heißen, daß du sie sitzengelassen hast?»
«Ich würde eher sagen, sie ließ mich sitzen. Jedenfalls ist sie mit einem gewissen George durchgebrannt.»
«Ihr Götter! Du verdammter Trottel! Weshalb, glaubst du denn, bin ich nach England zurückgekommen? Dabei bin ich bis heute noch das Reisegeld schuldig», ergänzte er.
«Wohin, Sir?» fragte der Fahrer durch die Trennscheibe.
«In Konkurs», sagte Lord Brickwood, warf seine Zigarre zu Boden und zertrat sie.
15
Ein oder zwei Stunden, nachdem Teddy und Lord Brickwood sich von den Stufen des Trafalgar Clubs in ein Taxi gerettet hatten, kam Abigail Fitzhammond an Deck der Snowdonia, um sich an die Reling zu lehnen, während die Sonne, von einem weiteren Tag glitzernden Wassers erschöpft, eilig in den kühlen Fluten des Atlantik versank.
Achtern lag die Insel Teneriffa, deren Einwohner händereibend die Erlöse zusammenzählten, die sie aus dem Verkauf von Souvenirs geschlagen hatten: Puppen, die als Duennas verkleidet waren, Seidenschals mit aufgedruckten Stierkämpfern, jene Kastagnetten, die so verdammt schwierig zu handhaben sind, Bündel ziemlich schmackhafter Bananen und Kanarienvögel, die, sobald sie an Bord waren, trotzig schwiegen. Vor ihnen lag Madeira, dessen Einwohner händereibend überschlugen, wieviel sie an den Korbmöbeln verdienen würden, auf denen kein Mensch sitzen konnte, an kleinen glänzenden Fäßchen, die im Salon als Behälter für Sherry oder Kekse verwendet werden, an Körben mit Orangen und ganzen Kisten voll des einheimischen Weines. In den Passagierkabinen türmte sich eine Unmenge ausgestopfter Affen aus Gibraltar, Lederkissen und jene türkischen Pantoffeln, die man bei jedem Schritt verliert. Die Snowdonia hatte eben den weitesten Punkt ihrer Frühlingsfahrt erreicht und wandte sich der Heimreise zu.
Abigail seufzte tief auf und betrachtete verklärt die Wellen, die hinter dem Heck aufschäumten. Sie seufzte abermals und warf einen zweiten verklärten Blick auf die Reihe der Rettungsboote, die sich bis zum Terrassencafé vorschoben. In diesem Augenblick hätte sie über alles geseufzt und alles verklärt angesehen, selbst den Kapitän. Denn Abigail war rettungslos verliebt.
Und nicht in Teddy Brickwood.
Dabei wurde sie beobachtet. Von seiner Kommandobrücke her betrachtete der Kapitän sie aufmerksam durch sein Fernglas. Er überlegte, daß die Reise, die er selbst vom ersten Augenblick an so haarsträubend gefunden hatte wie den Klabautermann, zumindest Miss Fitzhammond Vergnügen bereitete. Und wenn, beglückwünschte sich der Kapitän, er an jenem Abend, da sie Gibraltar verließen, nicht so diskret und väterlich hinter den Kulissen eingegriffen hätte, wäre dieser Augapfel Mr. Fitzhammonds vielleicht längst von rauschgiftsüchtigen Maden aus der Charing Cross Road angeknabbert.
Als Kapitän Kettlehorn zum Kartenzimmer zurückging, sah Abigail sich um. Ihr Gesicht leuchtete auf. Sie hatte das Empfinden, in ihrem Innern sei eine Flasche warmen Sodawassers geöffnet worden. Vom unteren Deckende näherte sich ihr Geliebter.
«Hallo, guten Abend», rief Mervyn Spode.
«Hallo», hauchte Abigail.
«Du bewunderst den Sonnenuntergang?» fragte Mervyn und trat zu ihr an die Reling.
«Er ist wunderschön», sagte Abigail und senkte den Blick.
«Nicht halb so schön», versetzte Mervyn und verflocht seine Finger mit den ihren, «wie du.»
«Oh, Mervyn», schmolz sie dahin.
«Du bist die Sonne meines Himmels»,
Weitere Kostenlose Bücher