Onkel ist der Beste
herausplatzte: »Warum hast du das getan? Ich fühle mich schrecklich. Ich weiß, es war deswegen, weil wir dir leid tun.«
»Keine Spur davon. Mir tut niemand leid, der tun kann, was ihm Spaß macht.«
»Aber warum bist du hingegangen und hast für uns gebürgt?«
Er lächelte. »Warum ich es getan habe? Weil ich es zufällig wollte. Mehr ist nicht dran — und solltest du in einem öffentlichen Lokal Tränen vergießen, stehe ich auf und gehe auf der Stelle.«
Sie lachte, wischte sich mit einer. Papierserviette die Augen und sagte: »Ich weine schon nicht. Bloß — es ist so wunderbar. Du kommst aus dem Blauen daher, und plötzlich haben wir — nun, haben wir etwas, das zu uns gehört.«
Er war merkwürdig bewegt, sagte aber nur: »Na ja, aus dem Blauen bin ich zwar nicht hergekommen, sondern aus einem höchst unbequemen Bus und mußte auch entdecken, daß ich plötzlich jemanden hatte, der zu mir gehörte. Jetzt aber essen wir rasch diese gar nicht einladende Suppe, bevor sie ganz kalt wird.«
Später besprachen sie die Anzeige, mit der sie einen Verwalter suchen wollten. Robert meinte: »Mr. Stewart hat vorgeschlagen, wir sollten sechzehn Pfund in der Woche bieten. Das erscheint mir sehr viel.« Er überlegte betrübt, daß er mit fast vierzig Arbeitsjahren beträchtlich schlechter dran war.
»Viel zu viel! Versuchen wir es mit weniger. Vielleicht haben wir Glück.«
»Es hat aber keinen Sinn, am falschen Ort zu sparen. Wir brauchen Erfahrung — also müßte es ein Mann um vierzig sein, nicht?«
»Nein, nicht so alt. Dann wäre es wieder das Gleiche.«
»Das Gleiche?«
Sie lachte. »Wir hatten drei, und zwei davon waren total in meine Mutter verschossen. Sie bemerkte das zum Glück nicht mal. Willis, der erste, wurde ganz blöd, aber sie hat es nie gemerkt, und außerdem war er ohnehin ein wahrer Schrecken. Dann kam Aitken, der zweite, der war gierig und verfressen. Bennett war ganz in Ordnung, weil er nur für unsere Schafe Interesse hatte. Aber es ist wirklich einfacher, wenn sie jünger sind, weil Dora sie dann bemuttert — wenn es natürlich ein älterer Mann wäre, wie du, wäre sie für ihn wie eine Tochter. Aber dann wäre er zu alt, um uns eine Hilfe zu sein.«
Er überhörte die kränkende Anspielung und erklärte streng: »Judith, ich bin wirklich der Ansicht, du solltest nicht in diesem kecken Ton von deiner Mutter sprechen.«
Sie lachte und tätschelte seine Hand. »Natürlich sollte ich das nicht, aber schließlich habe ich immer auf sie aufgepaßt. Ich weiß, du bist schockiert, du Ärmster, und denkst: Natürlich... Wieder diese junge Generation! Aber ich habe Angst um Mama. Es ist ganz in Ordnung, wenn sie es bei Cyril und Terry bewenden läßt, aber sie schmilzt doch jedesmal dahin, wenn jemand mit einer traurigen Geschichte daherkommt. Sie ist die geborene Zuhörerin, keine Erzählerin wie ich — und Zuhörer können reinstes Dynamit sein.«
Fest entschlossen, das Thema zu wechseln, sagte er: »Nun, die Sache wird mich nichts mehr angehen. Ich denke, daß ich längst wieder in Christchurch bin, bevor du geeignete Bewerbungsschreiben bekommst.«
»Ach, wirklich? Aber natürlich... Ich habe es ganz vergessen.«
Ihr ausdrucksvolles Gesicht wurde betrübt, die grauen Augen verdüsterten sich. Und das alles nur, weil er ihr in Erinnerung gerufen hatte, daß er in ihrem Leben keinen dauernden Platz einnehmen würde. Aber in Sekundenschnelle hatte sie sich gefaßt und lachte bereits wieder.
»Nun, ich werde mein Bestes tun. Wenn du aber von Mama ein Telegramm bekommst, in dem sie dich bittet, bei einer stillen Trauung ihr Brautführer zu sein, dann weißt du, daß ich versagt habe. Und jetzt müssen wir uns auf den Heimweg machen.«
An jenem Abend, als sie alle drei im kühlen Wohnzimmer beisammensaßen, sagte Dora plötzlich: »Mußt du denn wirklich schon nächste Woche fort? Erwartet dich Mrs. Mills schon?«
Sie saßen in der Dämmerung, die großen Fenster standen offen und ließen die Abendluft herein. Doras Hände waren diesmal müßig, Judy hockte in einem großen Lehnstuhl. Robert merkte jetzt, wie müde er war.
Er sah die freudlose Vision des leeren Hauses in Christchurch vor sich. Keine Mrs. Mills, nur ein müder alter Mann, der sich mit dem Kochen plagte oder, viel wahrscheinlicher noch, in einer Pension lebte, in der im gemeinsamen Speisezimmer das Licht grell sein und das Essen immer gleich schmecken würde. Dazu der Lärm der anderen Pensionsgäste, die sich mit
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